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Robert Wenzel Rechtsanwalt
Medizinrecht
Strafrecht
Auswanderungsberatung für Australien
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen
Mitglied des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
Von-der-Tann-Str. 9 22453 Hamburg Tel.: 040/420 66 66 Mail: NoKrim@aol.com
Der Weg zum Recht. Cannabis als Medizin
Unter diesem hoffnungsfrohen Titel habe ich meinen Vor trag für die
heutige Veranstaltung angemeldet.
In Vorbereitung auf den heutigen Tage habe ich die rechtliche und politische
Entwicklung der letzten drei Jahre nochmals reflektiert und bin zu der
naheliegenden Erkenntnis gekommen, dass es -wie zumeist- nicht einen
sondern viele Wege zum Recht gibt.
Ich würde mich freuen, wenn Sie mich auf dem Weg durchs Recht begleiten
könnten und wir im Anschluß diskutieren könnten, wohin die Reise gehen
kann.
Der Weg zum Recht. Cannabis als Medizin
1. Rechtlicher und politischer Fortschritt 1999 – 2001
2. Arzneimittel Cannabis/Marihuana
3. Handlungsoptionen für Patienten
3.1 Schaffung eines Problembewußtseins
3.2 Strafverfahren
3.3 Erlaubnisantrag Bundesopiumstelle
3.4 Zwischenbemerkung – KÄRAN
3.5 Duldungsantrag bei der Staatsanwaltschaft
3.6 Erlaubnisantrag beim zuständigen Bundesland
3.7 Einfuhr von Cannabis/Marihuana
4. Handlungsoptionen für niedergelassene Ärzte
5. Handlungsoptionen des Gesetzgebers
6. Petitionen und kleine Anfragen
1. Rechtlicher und politischer Fortschritt 1999 - 2001
Anstelle einiger einleitender Worte möchte ich vor allem für diejenigen,
die sich mit dem Thema „Cannabis als Medizin" neu befassen, einige rechtliche
und politische Entwicklungen der letzten 3 Jahre darstellen, bevor wir
uns gemeinsam auf den Weg zum Recht machen ... .
Im Januar 1999 legen die AIDS-Hilfen Frankfurt am Main, Düsseldorf,
Köln und München, akzept, die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin,
die Deutsche AIDS-Hilfe, die Deutsche Epilepsievereinigung, die Deutsche
Gesellschaft für Algesiolo-gie, die Deutsche Gesellschaft für Drogen-
und Suchtmedizin, die Deutsche Gesellschaft niedergelassener Ärzte zur
Versor-gung HIV-Infizierter, die Deutsche Poliomyelitis Gesellschaft,
das SCHMERZtherapeutische Kolloquium, die Frankfurter Resolution dem
Gesetzgeber vor und erklärten:
In der Erkenntnis, dass zur Heilung Kranker und zur Minderung ihres
Leids alle menschenwürdigen medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen
sind, fordern wir den Bundestag auf:
1. die medizinische Nutzung von Marihuana zu erlauben,
2. zu therapeutischen Zwecken auch die rauchbare Anwendung natürlichen
Marihuanas zu gestatten,
3. die medizinische Verwendung von Marihuana begleitend wissenschaftlich
zu erforschen und diese Forschung zu fördern.
Im Januar 2000 beschließt die Dritte Kammer des Zweiten Senats des
BVerfG in einer Eilentscheidung, die Verfassungsbeschwerden von 8 Mitglieder
der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) seien derzeit noch
nicht zulässig. Sie müßten zunächst den Rechtsweg erschöpfen, hierfür
käme das Erlaubnisverfahren gemäß § 3 Abs. 2 BtMG, ein Verfahren gegen
die Staatsanwalt-schaft gemäß §§ 23 ff EGGVG und das Strafverfahren
in Frage .
Im Februar 2000 legt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelung
der Herstellung von Arzneimitteln durch Ärzte zum Zwecke der ärztlichen
Anwendung, nicht in die Regelungskompetenz des Bundes fiele, sondern
in die der Bundesländer
Im Juni 2000 beschließt der Bundestag die Petition der ACM der Bundesregierung
zur Berücksichtigung zu überweisen.
In der Stellungnahme des Petitionausschuß ist ausgeführt, es stehe fest,
dass Cannabis u.a appetitsteigernd, brechreizhemmend, muskelentspannend,
schmerzhemmend, bronchienerweiternd, augen-innendrucksenkend und stimmungsaufhellend
wirke.
Das BfArM –Bundesopimstelle- nimmt diese Entscheidung nicht zur Kenntnis.
Es lehnt alle Anträge von Patienten Bausch und Bogen ab. Inzwischen
sind einige Verfahren beim Verwaltungsgericht Köln anhängig.
Immer Sommer 2000 legt Oberstaatsanwalt Dr. Harald Körner, Frankfurt
a. M. eine Rechtsgutachten vor, welches die Abgabe von durch die Polizeien
asservierten Cannabis/Marihuana durch die Gesundheitsämter vorschlägt.
Im Februar 2001 beantragt ein Patient, der an Morbus Crohn erkrankt
ist, beim Amtsgericht Tiergarten, Berlin seine Strafsa-che zum Zwecke
einer Richtervorlage beim BVerfG gemäß Art. 100 GG auszusetzen. Das
AG Tiergarten hat die Sache ausgesetzt.
Im Juni 2001 verurteilt das Amtsgericht Nordhorn einen Schmerzpatienten,
der aufgrund eines von seinem Hausarzt unterschriebenen Dokuments der
„Stichting Institut of Medical Marijuana" Rotterdam ca. 120 Gramm Marihuana
(= ca. 12 Gramm THC) zum Zwecke der Selbstmedikation eingeführt hat,
zu einer Strafe von 120 Tagessätzen zu 30 DM. Der Patient hat Rechtsmittel
eingelegt.
Es spricht viel dafür, dass Patienten, für die die Verwendung oder
Anwendung von Cannabis/Marihuana indiziert ist, durch das Verbot, mit
Cannabis/Marihuana umzugehen, sowie durch die Strafbewehrung dieses
Verbots (§§ 1 Abs. 1, 1 Abs. 4, 29 Abs. 1 Nr. 1 -erwirbt, sich in sonstiger
Weise verschafft, einführt, anbaut- , 3 Abs. 2 , 6 Abs. 1 Nr. 1, 2,
4, 13 Abs. 1 S. 3 und 29 Abs. 1 Nr. 3 und 6 BtMG sowie durch die Anlage
I, Teil B, Cannabis/Marihuana zu § 1 Abs. 1 BtMG) sowie durch die Strafverfolgung
aufgrund der Strafbewehrung dieser Verbote, in ihren Grundrechten oder
grundrechtsgleichen Rechten unmittelbar und gegenwärtig ohne verfassungsrechtliche
Rechtfertigung verletzt sind.
Diese Eingriffe in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2
Abs. 1 S. 2 GG in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1
i.V. Art. 1 Abs. 1 GG (Therapiefreiheit des Einzelnen), in das Recht
aus Art 12 Abs. 1 GG (Therapiefreiheit des Arztes/Drittwirkung) und
in die Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG sind verfassungsrechtlich
nicht zu rechtfertigen und verstoßen zudem gegen das Zitiergebot (Art
19 Abs. 2 GG), gegen das Bestimmtheitsgebot, gegen das aus der Wesentlichkeitstheorie
resultierende Delegationsverbot, gegen die kompetenzrechtlichen Vorschriften
des Grundgesetzes, gegen das Sozialstaatsprinzip sowie gegen das Schuldprinzip.
Zudem ist die Gleichbehandlung von Menschen die Cannabis als Arzneimittel
nutzen, die Cannabis als Genussmittel nutzen willkürlich.
Es erscheint zudem zweifelhaft, ob es den Bundesländern gelungen ist,
wie es das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der prozessualen Lösung
-Begrenzung und Lockerung des Verfolgungszwanges- in seiner Entscheidung
von 1994 fordert, ihre Einstellungspraxis gemäß § 31 a BtMG zu vereinheitlichen.
Hiergegen spricht schon, dass sich die Bundesländer bisher noch nicht
auf einheitliche Einstellungsrichtlinien einigen konnten.
Ebenso ist nicht erkennbar, dass die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften
bei Patienten und Erkrankten berücksichtigt, dass diese -anders als
Cannabisgebraucher mit hedonistischen Motiven- in Ihrem Grundrecht aus
Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG betroffen sind.
Politische Entscheidungsträger äußern sich nicht konkret dahingehend,
ob, wie, wann und durch wen dieses gesellschaftliche Problem gelöst
werden kann und soll und welche Haushaltsmittel hierfür zur Verfügung
stehen, sondern vermitteln Betroffenen das Gefühl, dass sie eher geneigt
sind, in Deckung zu gehen, abzuwarten und auszusitzen.
Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber die in der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
von 1994 normierte Ver-pflichtung, der Gesetzgeber habe angesichts der
offenen kriminal-politischen und wissenschaftlichen Diskussion über
die vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren und den richtigen Weg die
Auswirkungen des geltenden Rechtes unter Einschluss der Erfahrungen
des Auslandes zu beobachten und zu überprüfen , ernst nimmt.
So äußert sich die Bundesregierung im November 2000 im Kontext straßenverkehrsrechtlicher
Regelungen dahingehend, dass anders als bei Alkohol aus rechtlichen
und ethischen Gründen hinsichtlich illegaler Drogen keine Humanversuche
möglich seien.
Hieraus ist abzuleiten, dass die Bundesregierung derzeit nur wenig Interesse
daran hat, die deutsche Gesetzgebung einer Cannabisprohibition einer
Beobachtung und Überprüfung zu unterziehen, da sie mögliche aber nicht
notwendige ablehnende Entscheidungen von Ethikkommissionen und Erlaubnisbehörden
vorauseilend antizipiert. Die konsequentialistische und selbstreferentielle
Logik lautet, die Gesetzgebung ist nicht überprüfbar, da die Gesetzgebung
die Überprüfung hindert. Vielleicht sei noch angefügt, dass es sich
bei der geplanten Vergabe von Heroin an Heroingebraucher selbstverständlich
um Humanversuche handelt, die oben skizzierte Logik also unter besonderen
Umständen durchbrechbar ist.
Es ist an der Zeit, dass sich die politischen Entscheidungsträger auch
der Sache „Cannabis als Medizin" annehmen, um zu verhindern, dass das
Bundesverfassungsgericht aussprechen muß, dass der Gesetzgeber ohne
verfassungsrechtliche Rechtfertigung Kranke mit den Mitteln des Strafrechtes
diskriminiert und verfolgt.
Es ist naheliegend, dass sich die politischen Entscheidungsträger der
Frage Cannabis als Medizin erst dann annehmen werden und sich sachverständigen
Rat beiziehen werden (z.B. Initiierung einer Enquete-Kommission zur
Evaluation und Revision des Betäubungsmittelrechtes im europäischen
Kontext), wenn dass Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu auffordern
sollte oder aber dass erkennbar wird, dass eine solche Entscheidung
bevorsteht.
Angesichts der Entwicklungen in den Nachbarländern der Niederlanden,
Belgien und der Schweiz und angesichts der Pflichten, die den Gesetzgeber
aufgrund der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1994 treffen, ist
es nur schwer zu verstehen, dass zur Lösung dieses Problems keine umfassenden
öffentlichen Beratungen durchgeführt und keine dem Problem vom Umfang
her angemessene Haushaltstitel bereit gestellt werden.
Im folgenden soll aufgezeigt werden, welche gesellschaftlichen und
politischen Handlungsoptionen im förderativen und korporativen verfaßten
Staat bestehen, Cannabis/Marihuana als Arzneimittel legal zu nutzen.
Da ein Königsweg der Lösung dieses Problems zur Zeit leider nicht ersichtlich
ist, möchte ich nur Wege und Pfade aufzeigen, die für den gesellschaftlichen
Diskurs „Cannabis als Medizin" und für die betroffenen Patienten von
Relevanz sein können.
2. Arzneimittel Cannabis/Marihuana
Die Festlegung des Petitionsausschusses des Bundestages, es stehe
fest, dass Cannabis u.a appetitsteigernd, brechreizhemmend, muskelentspannend,
schmerzhemmend, bronchienerweiternd, augeninnendrucksenkend und stimmungsaufhellend
wirke, wirft die Frage auf, ob es sich bei Cannabis/Marihuana um ein
Arzneimittel handelt.
§ 2 des Arzneimittelgesetzes regelt u.a., dass Arzneimittel, Stoffe
und Zubereitungen von Stoffen sind, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung
am oder im menschlichen oder tierischen Körper, Krankheiten, Leiden,
Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu
verhüten oder zu erkennen.
§ 3 des Arzneimittelgesetzes legt fest, dass Stoffe Pflanzen, Pflanzenteile
und Pflanzenbestandteile in bearbeiteten und unbearbeiteten Zustand
sind.
Das Arzneimittelgesetz regelt den Verkehr mit Arzneimitteln; es regelt
jedoch weder die Anwendung von Arzneimitteln des Arztes beim Patienten
noch die Selbstmedikation von Patienten.
Die Regelung der ärztlichen Anwendung ist Ländersache.
Die Selbstmedikation bedarf keiner Regelung, da Patienten berechtigt
sind, selbst für die eigene Gesundheit, sei es durch Inanspruchnahme
des Gesundheitssystemes oder sei es durch Hausmittel, Sorge zu tragen.
Jeder Einzelne ist berechtigt, sich die obskursten und bedenklichsten
Arzneimittel einfallen zu lassen, so er sie nur an sich selbst anwendet.
Bei der Festlegung des Bundestages über die Wirkungen von Cannabis/Marihuana
handelt es sich um den normativen Schluß, dass es sich bei der Anwendung
und Verwendung von Cannabis/Marihuana um eine anerkannte bzw. anzuerkennende
Heilmethode handelt. Es handelt sich hierbei vorsichtig formuliert,
um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.
3. Handlungsoptionen für Patienten
Ich möchte nunmehr die Handlungsoptionen für Patienten darstellen,
die in Genuß des Arzneimittels Cannabis/Marihuana kommen möchten. Derjenige,
der Cannabis/Marihuana als Arzneimittel verwenden möchte, muss sich
im klaren darüber sein, dass die Verwendung von Cannabis/Marihuana strafbar
ist.
Ich möchte deshalb einige Vorbemerkungen unter dem Stichwort „Schaffung
eines Problembewußtseins" machen.
3.1 Schaffung eines Problembewußtseins
Allen Wegen, die ich skizziere ist gemeinsam, dass ich es für sinnvoll
erachte, guten Rat mit auf den Weg zu nehmen.
Ohne eine fundierte ärztliche Beratung sollten Sie nicht versuchen,
den Weg „Cannabis als Medizin" zu beschreiten.
Mit meinem Vortrag versuche ich zwar der Anwalt der Interessen von Patienten
zu sein. Dennoch möchte ich Ihnen ans Herz legen, soweit sie darüber
nachdenken, Cannabis/Marihuana als Arzneimittel zu verwenden, sich anwaltlich
vertreten zu lassen, und nicht allein auf diesen Vortrag zu vertrauen.
Ihr leicht nachvollziehbares medizinisches Anliegen wirft viele rechtliche
Probleme auf.
Ob die Verwendung des Arzneimittels Cannabis/Marihuana für den einzelnen
Patienten indiziert ist, ist eine Frage, die im Arzt-Patienten Gespräch
geklärt werden sollte.
Sollte der behandelnde Arzt der Ansicht sein, dass die Verwendung von
Cannabis/Marihuana für Sie, den Patienten indiziert ist, so sollte der
Patient darauf drängen, dass der Arzt ihm das umfassend schriftlich
bestätigt.
Sollte der Arzt vertreten, dass ihm die Fachkenntnisse fehlen, um zu
entscheiden, ob Cannabis/Marihuana indiziert ist, so sollte der Patient
den Arzt darauf hinweisen, dass er sich die notwendigen Fachkenntnisse
durch die Kontaktaufnahme zur Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis
als Medizin (IACM) verschaffen könne und dass er als Arzt gehalten ist,
sich auch hinsichtlich „neuer Behandlungsmethoden" und „Außenseitermethoden"
auf dem Laufenden zu halten.
Soweit der Arzt bereit ist, dem Patienten eine Indikation zu stellen
und ggf. auch Hinweise hinsichtlich der geeigneten Dosierung zu erteilen,
sollte sich der Patient beim Arzt erkundigen, wie es dem Patienten zu
ermöglichen ist, sich entsprechend ärztlichen Rat zu verhalten. Der
Patient sollte den Arzt darauf hinweisen, dass § 13 Abs. 1 S. 3 BtMG
zwar dem Arzt untersage, Cannabis/Marihuana zu verschreiben, dass es
dem Arzt aber unbenommen sei, dem Patienten zu bescheinigen, dass es
sich bei der Indikationsstellung um eine „medical prescription" im Sinne
des Artikel 30 Abs. 2 b. i. Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe
handele. Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) prüft zur
Zeit, ob es sinnvoll ist, dass die ACM solche Formulare herausgibt,
da derzeit weder die staatlichen Behörden noch die Berufsvereinigungen
solche Formulare, was völkerrechtlich gemäß Artikel 30 Abs. 2 b. ii.
Einheits-Übereinkommen möglich wäre, herausgeben können. Es sei allerdings
darauf hingewiesen, dass es rechtlich ungeklärt ist, ob schon das Vorliegen
einer „medical prescription" die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis/Marihuana
entfallen läßt oder ob hierfür der Gesetzgeber tätig werden muss.
Eine Strafbarkeit des Arztes entfällt, soweit er Cannabis/Marihuana
nicht verschreibt, sondern nur verordnet. Allerdings sollte der Arzt
sich vorher an die Aufsichtsbehörden seines Bundeslandes wenden, um
sicherzustellen, dass eine Verordnung des Arzneimittels Cannabis/Marihuana
keine Verschreibung ist.
Die Verordnung sollte den Hinweis enthalten, dass dem Patienten angeraten
wird, sich das Arzneimittel Cannabis/Marihuana nur bei Institutionen
zu beschaffen, denen eine Erlaubnis gemäß § 3 BtMG vorliegt und die
gemäß § 4 BtMG keiner Erlaubnis bedürfen, um eine Strafbarkeit des Arztes
wegen der Teilnahme an Betäubungsmitteldelikten auszuschließen.
Es ist aus meiner Sicht mit einigem Aufwand verbunden, sich auf den
Weg „Cannabis als Medizin" zu machen, da es mangels Fortbildungsangeboten
schwierig sein wird, einen Arzt des Vertrauens zu finden, der sich einerseits
mit dem spezifischen Krankheitsbild auskennt und im Thema „Cannabis
als Medizin" auf dem aktuellen Stand ist.
3.2 Strafverfahren
Wenn sich ein Patient aufgrund ärztlichen Rates oder ärztlicher Verordnung
entscheidet, sich mit Cannabis/Marihuana zu therapieren, muß er davon
ausgehen, dass er sich zukünftig strafbar machen wird, da die arzneiliche
Verwendung von Cannabis/Marihuana kaum denkbar ist, ohne das Arzneimittel
zu besitzen.
Es bestehen derzeit nur wenig Aussichten, von Erlaubnisinhabern oder
Institutionen, die keiner Erlaubnis bedürfen, aufgrund ärztlicher Empfehlung
oder Verordnung Cannabis/Marihuana zu erhalten. Die Polizei ist wohl
eher geneigt, einem V-Mann oder einem verdeckten Ermittler für einen
Lockvogeleinsatz als einem Patienten Cannabis/Marihuana auszuhändigen.
Das Gutachten des Oberstaatsanwaltes Harald Körner zeigt allerdings
auf, dass auch bei den Strafverfolgungsinstanzen die Vorgabe des Gesetzgebers,
Kranke wegen der Verwendung von Arzneimitteln zu verfolgen und in die
Illegalität zu drängen auf wenig Gegenliebe stossen.
Der Patient muß sich vergegenwärtigen, dass er in einem zukünftigen
Strafverfahren der Frage ausgesetzt sein wird, warum er nicht alles
Erdenkliche getan hat, um sich die legale Verwendung von Cannabis/Marihuana
zu ermöglichen.
Er sollte sich dementsprechend darum bemühen, eine schriftliche Erlaubnis
–von wem auch immer- für die Verwendung des Arzneimittels Cannabis/Marihuana
zu erhalten, denn die Strafbarkeit knüpft an dem Fehlen einer Erlaubnis
an.
Soweit es trotz anhängigen Erlaubnisverfahren zu einer Gerichtsverhandlung
vor dem Strafgericht kommt, ist es dem Patienten anzuraten, darzustellen,
dass das strafbewehrte Verbot, Cannabis/Marihuana als Arzneimittel zu
nutzen, verfassungswidrig ist, dass er in einer Notstandslage handelt
(§ 34 StGB), dass sein Handeln aufgrund einer ärztlichen Empfehlung
entschuldigt ist(§ 35 StGB)und dass es ihm nicht zuzumuten war, mit
seiner Therapie zu warten bis eine behördliche oder gesetzgeberische
Entscheidung hinsichtlich „Cannabis als Medizin" ergangen ist.
Sollte der Patient durch ein Strafverfahren betroffen werden, ohne die
hier empfohlenen Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren angestrebt zu
haben, so sollte er darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht
im Jahre 2000 selbst dargelegt hat, dass es dem Einzelnen unbenommen
sei, sich im Strafverfahren gegen das Verbot der arzneilichen Verwendung
von Cannabis/Marihuana zu wenden.
Wie noch darzulegen ist, wirft auch die vom Bundesverfassungsgericht
skizzierte Möglichkeit, sich an die Bundesopiumstelle zu wenden, verfassungsrechtliche
Bedenken auf. Der Patient sollte sich anwaltlich beraten lassen, ob
es sinnvoll ist, die denkbaren Erlaubnisverfahren aufgrund der strafrechtlichen
Betroffenheit nunmehr unverzüglich nachzuholen. Es sei darauf verwiesen,
dass der Patient schon in erster Instanz gehalten ist darzulegen, dass
das strafbewehrte Verbot, Cannabis/Marihuana arzneilich zu verwenden,
verfassungswidrig ist, um die Subsidiarität einer Verfassungsbeschwerde
ggf. nach Abschluß des regulären Instanzenzuges sicher wahren zu können.
Leider ist das Strafverfahren ein beschwerlicher Höhenweg, der am Abgrund
einer nicht unerheblichen Strafbarkeit entlang führt. Aus anwaltlicher
Sicht ist anzufügen, dass sich ein strafbares Verhalten derzeit wohl
nur dadurch vermeiden läßt, dass der Patient kein Cannabis/Marihuana
besitzt.
Wie man Cannabis/Marihuana als Arzneimittel einnehmen kann, ohne es
illegal zu besitzen, ist eine Frage, die Patienten schon dem Bundesverfassungsgericht
gestellt haben. Es antwortete, sie mögen sich das erlauben lassen. Das
Bundesverfassungsgericht verweist den Patienten allerdings nicht an
den behandelnden Arzt, sondern an die Bundesopiumstelle.
3.3 Erlaubnisantrag Bundesopiumstelle
Aufgrund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Januar
2000 haben etliche Patienten einen Erlaubnisantrag bei der Bundesopiumstelle
gestellt.
Im Dezember 1999 hatten 8 Patienten Verfassungsbeschwerde gegen das
Verbot und die Strafbewehrung des Verbotes, Cannabis/Marihuana als Arzneimittel
zu verwenden, erhoben. Sie hatten sich unmittelbar an das Verfassungsgericht
gewandt, da sie der Meinung waren, dass es Ihnen nicht zugemutet werden
könne, sich strafbar zu machen, um die Frage der Verfassungswidrigkeit
der Prohibition des Arzneimittels Cannabis/Marihuana zu klären.
Das Bundesverfassungsgericht hatte dargelegt, dass der Einzelne bei
der Bundesopiumstelle die Verwendung von Cannabis/Marihuana beantragen
können. Es sei möglich, dass das individuelle Interesse mit dem öffentliche
Interesse, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen,
korrespondiere.
Dogmatisch ist dieses eine harte Nuss; warum soll ein individueller
Anspruch auf eine indizierte Behandlung nur dann bestehen, wenn auch
ein öffentliches Interesse vorliegt. Auch stößt das Erlaubnisverfahren
selbst auf Bedenken, ist es doch dem Gesundheitssystem fremd, dass der
Einzelne dem Staat Gesundheitsdaten offenlegen muß, um eine Entscheidung
über die Erlaubnis einer Behandlungsmethode herbeizuführen.
Trotz dieser Bedenken ist dem einzelnen Patienten, der Cannabis/Marihuana
als Arzneimittel verwenden möchte, dringlichst anzuraten, dieses Verfahren
anzustreben.
Zum einem kann die Durchführung eines solchen Verfahrens Einfluss auf
die Strafzumessung in einem Strafverfahren haben, zum anderen erhöht
die Durchführung einer Vielzahl solcher Verfahren die Wahrscheinlichkeit,
dass der Gesetzgeber sich mit dieser Frage befaßt oder aber noch einmal
das Bundesverfassungsgericht sich dieser Frage annehmen muß.
Er sollte den behandelden Arzt bitten, sich dem Verfahren anzuschließen.
Die mir bekannten bei der Bundesopiumstelle anhängigen Verfahren geben
leider wenig Anlaß zu der Hoffnung, dass eine Lösung des Problemes auf
diesem Weg, ohne den Rechtsweg zur Gänze ausschöpfen zu müssen, möglich
ist.
Die Bundesopiumstelle stellt sich unzutreffend auf den Standpunkt, dass
die Erlaubnis der arzneiliche Verwendung von Cannabis/Marihuana schon
aufgrund völkerrechtlicher Verträge nicht möglich sei.
Als weiteres verweist die Bundesopiumstelle Patienten auf die mögliche
Einnahme anderer Arzneimittel. Explizit wird den Patienten Dronabinol
empfohlen, obwohl der jeweils behandelnde Arzt für Dronabinol-Präparate
keine Indikation gestellt hat, und eine Zulassung derartiger Arzneimittel
für die Krankheitssymptome der betroffenen Patienten nicht besteht.
Die Bundesopiumstelle schlägt somit Patienten vor, einen anderen und
erheblich kostenintensiveren Heilversuch zu unternehmen, als den vom
Arzt empfohlenen.
Die von mir betreuten Patienten haben neben der Erlaubnis der Selbstmedikation
zudem die Blanketterlaubnis beantragt, sich durch einen Arzt ihrer Wahl
Cannabis/Marihuana verabreichen zu lassen.
Ob es faktisch möglich sein wird, sich von einem Arzt Cannabis/Marihuana
im Rahmen einer ärztlichen Anwendung verab-reichen zu lassen oder zum
unmittelbaren oder mittelbaren Verbrauch zu erhalten, hängt abgesehen
von den damit verbundenen rechtlichen Fragen davon ab, ob in Deutschland
oder einem Mitgliedstaat der EU der Anbau von Cannabis/Marihuana-Rohstoff
zu diesem Zweck erlaubt wird.
Die Bundesopiumstelle hat auf einen Auskunftsantrag im Oktober 2000
verneint, dass in Deutschland Anbauerlaubnisse hinsichtlich Cannabis/Marihuana
mit einem hohen THC-Gehalt erteilt seien, ein neuerlicher Auskunftsantrag
wird seit Monaten nicht beschieden.
Eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums vom 22. Mai 2001
ergibt, dass in Deutschland inzwischen THC-reicher Hanf angebaut wird.
Dieser Hanf sollte für Heilversuche zur Verfügung gestellt werden, auch
um die konkreten vom Bundesgeundheitsministerium und der Bundesärztekammer
benannten Gefahren für Patienten durch die Verwendung illegaler Produkte
(Lösungsmittel, Schwermetalle, Insektizide, unbekannter Wirk-stoffgehalt)
endlich auszuräumen.
Dass ein Patient, wäre die Selbstmedikation und ein Heilversuch mit
Cannabis/Marihuana nicht strafbar, schon lange die Möglichkeit hätte,
in einem rechtsmedizinischen Institut das selbstangebaute Arzneimittel
prüfen zu lassen, sei ergänzend angefügt.
Ob ein Anbauer, der mutmaßlich eine Erlaubnis zum Zwecke der pharmazeuthischen
und ggf. klinischen Forschung beantragt hat, bereit ist, Ärzte mit dem
Rohstoff Cannabis/Marihuana zum Zwecke der Herstellung und Anwendung
von Cannabisarznei durch den behandelnden Arzt zu beliefern, ist ungewiss.
Ob ein ökonomisches Interesse von pharmazeutischen Herstellern besteht,
die Herstellung und Anwendung von Arzneimitteln durch Ärzte zu fördern,
kann und will ich nicht beantworten.
Ich möchte vorsichtig andeuten, dass unter Umständen Handlungsoptionen
für niedergelassene Ärzte bestehen, die diese in der Wahrnehmung des
Kerns ihrer Berufsfreiheit, der ärztlichen Therapiefreiheit, in ihrem
wohlverstandenen Eigeninteresse und zum Wohl Ihrer Patienten wahrnehmen
sollten.
Da jedoch nicht absehbar ist, ob sich niedergelassene Ärzte oder ihre
Standesvertreter sich im Kontext „Cannabis als Medizin" für ihre ärztliche
Therapiefreiheit einsetzen werden und der Instanzenzug Verwaltungsgericht,
Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht und u.U. Bundesverfassungsgericht
sich für den einzelnen Patienten langer, dorniger und steiniger Feldweg
darstellt, möchte ich eine kurze Zwischenbemerkung ein-fügen.
3.4 Zwischenbemerkung - Käran
Aus meiner Sicht ist es nicht fernliegend, dass die Bundespolitik erst
handeln wird, wenn sie sich auf eine bahnbrechende Ge-richtsentscheidung
stützen kann und die Bundesopiumstelle erst dann die Anträge von Patienten
ernstnehmen wird, wenn politischer Druck auf diese gegenüber der Bundesregierung
nicht weisungsungebundene Behörde ausgeübt wird.
Woher eine solche Gerichtsentscheidung oder solcher politischer Druck
herkommen soll, ist allerdings gänzlich offen. Behörden kann man leider
nicht abwählen, man kann ihnen nur Kompetenzen entziehen.
Ein denkbarer (Um-)Weg wäre, dass ein fachöffentlicher Diskurs darüber
geführt wird, ob für die Erlaubnis der ärztlichen Anwendung die Bundesrepublik
ebenso wie die Niederlanden –schon um Standortvorteile und Arbeitsplätze
zu sichern- aufgrund des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe eine
Cannabisstelle einzurichten hat.
Da sich die Bundesopiumstelle nicht berufen sieht, dass gesellschaftliche
Problem der arzneilichen Verwendung von Cannabis/Marihuana zu lösen,
was sich schon daraus ableiten läßt, dass die Bundesopiumstelle meines
Wissens keine zusätzlichen Haushaltmittel beantragt hat, um dieses Problem
zu lösen, ist meines Erachtens die Frage erlaubt, ob die Frage „Cannabis
als Medizin" bei der Bundesopiumstelle in den rechten Händen liegt.
Auch ist anzumerken, dass die Bundesopiumstelle dem Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte angegliedert ist, es jedoch völlig
offen ist, ob der einzig vorstellbare Lösungsweg der arzneilichen Verwendung
von Cannabis/Marihuana in der Zulassung von Fertigarzneimitteln zu sehen
ist.
Auch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass durch die Ansiedlung der
Frage von „Cannabis als Medizin" bei der Bundesopiumstelle die Gefahr
droht, dass die Frage, ob Anträge, die von einem wissenschaftlichen
Erkenntnisinteresse getragen sind, zu stark unter dem Blickwinkel der
klinischen Forschung und der Zielsetzung der pharmazeutischen Herstellung
von Arzneimitteln betrachtet werden könnte.
Ich würde mich freuen, wenn ein fachöffentlicher Diskurs in die Richtung
führen könnte, dass eine solche Stelle nicht beim BfArM, sondern woanders,
wissenschaftsnäher –sagen wir beispielsweise bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft-
angesiedelt würde.
Ich möchte diesen Umweg deshalb lieber Umleitung nennen.
Als eine weitere Anregung, die ich an dieser Stelle allerdings nicht
vertiefen möchte, sei die Möglichkeit eines Sammelantrages von Patienten
und niedergelassenen Ärzten genannt, den ich an dieser Stelle KÄRAN
taufen möchte. KÄRAN soll für wissenschaftlich kontrollierte ärztliche
Anwendung von Cannabis/Marihuana durch nierdergelassene Ärzte stehen.
Ein solcher Antrag könnte die Ablehnungsroutine der Bundesopiumstelle
in Frage stellen und stellte zugleich einen konstruktiven und prozeduralen
Lösungsvorschlag dar.
Unter Umständen ließe sich die Universität Bremen gewinnen, einen solchen
Antrag zu fördern oder zu stellen, und ein Forschungsnetzwerk aufzubauen.
Dieses liegt allerdings nicht in meinem Ermessen.
Da mein roter Faden die Pfade und Wege sind, möchte ich anfügen, dass
sich beschwerliche Wege in einer Wandergruppe leichter bewältigen lassen.
Allerdings ist die Reiseplanung aufwendiger.
Nach diesen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter geschuldeten
Zwischenbemerkungen möchte ich zu den Patienten zurückkehren und zwei
weitere Handlungsoptionen skizzieren, von denen ich ebenfalls hoffe,
dass sie sich nicht als Sackgasse erweisen werden.
3.5 Duldungsantrag bei der Staatsanwaltschaft
Das Bundesverfassungsgericht hat in 2000 skizziert, dass die Möglichkeit
besteht, schon vor Einleitung eines Ermittlungsver-fahrens sich gegen
die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zu wenden.
Dieser Ansatz des Bundesverfassungsgerichtes ist in einem hohen Masse
innovativ, da er die Staatsanwaltschaft als eine Behörde betrachtet,
die Straftaten quasi genehmigen kann.
Dieser Ansatz ist, wie Sie sich vorstellen können, nicht commonsense
unter Strafrechtlern, er läßt sich eher als extreme Mindermeinung kennzeichnen.
Der Ansatz beinhaltet, dass der Einzelne einen einklagbaren Rechtsanspruch
auf opportunes Handeln der Staatsanwaltschaft hätte.
Ein weiterer denkbarer Weg kann es somit sein, dass Patienten bei der
Staatsanwaltschaft beantragen, die strafbaren Umgangsformen (Erwerb,
Anbau, Einfuhr, Besitz) mit dem Arzneimittel Cannabis/Marihuana rechtssicher
zu dulden.
Im Falle, dass die Staatsanwaltschaft nicht bereit ist, eine solche
Duldung auszusprechen, wäre Rechtsmittel gemäß § 23 ff EGGVG zu erheben.
Sollte sich das OLG der mutmaßlichen Rechtsansicht der zuständigen Staatsanwaltschaft
anschließen, so bestünde die Möglichkeit die Frage „Cannabis als Medizin"
dem Bundesverfassungsgericht ein zweites Mal in absehbarer Zeit vorzulegen.
Diesen Weg möchte ich ein wenig despektierlich als Abkürzung durchs
Unterholz bezeichnen.
Was Sie im Unterholz erwartet, kann ich Ihnen leider nicht sagen.
3.6 Erlaubnisantrag beim zuständigen Bundesland
Einen weiteren Weg, der noch im Nebel liegt, möchte ich kurz aufzeigen.
Ich habe jüngst für einen Mandanten, der Cannabis/Marihuana als Schmerzmittel
verwendet, in einem nördlichen Bundesland die Erlaubnis beantragt, Cannabis/Marihuana
im geringen Umfang zum Zwecke der Selbstmedikation anzubauen.
Zudem hat der Mandant die Blankett-Erlaubnis erbeten, Cannabis/Marihuana
im Wege der ärztlichen Anwendung zu erhalten. Der Antrag ist von dem
Gedanken getragen, dass es sich bei diesen Antragszielen um Zwecke handelt,
die nicht den Betäu-bungsmittelverkehr betreffen.
Da ich mit dem zuständigen Ministerium im Gespräch stehe, kann ich hierzu
zur Zeit nicht vertieft Stellung beziehen.
3.7 Einfuhr von Cannabis/Marihuana
Beim Surfen durchs Internet findet man immer wieder niederländische
Institutionen, die deutschen Patienten Cannabis/Ma-rihuana zu Zwecke
der arzneilichen Anwendung anbieten.
Es ist naheliegend, dass sich der Patient, der sich auf diesem Wege
Cannabis/Marihuana verschafft, strafbar macht. Es ist auch nicht auszuschließen,
dass ein niedergelassener Arzt, der eine dahingehende medizinische Empfehlung
auf dem Dokument einer solchen Institution erstellt, sich der Beihilfe
zur Einfuhr von Betäubungsmitteln und u.U. zum Bannbruch strafbar macht.
Es ist meines Erachtens jedoch aus Sicht eines Patienten überlegenswert,
ob er im Falle eines Erwerbs von Cannabis/Mari-huana-Arzneimittel in
den Niederlanden dieses bei Grenzübertritt dem Zoll offenbaren sollte.
Im Fall einer Beschlagnahme steht hiergegen der Rechtsweg offen.
Als Anwalt bin ich geneigt, von einer solchen Strategie abzuraten, da
ein solches Vorgehen sowohl straßenverkehrsrechtliche als auch strafrechtliche
Risiken beinhaltet.
Nachdem ich Ihnen einen weiteren Weg gezeigt habe, bei dem es sich allerdings
um einen Abweg handeln kann, möchte ich noch einige mögliche Wegweisungen
in Richtung der niedergelassenen Ärzte und in Richtung des Bundesgesetzgebers
aufleuchten lassen.
4. Handlungsoptionen für niedergelassene Ärzte
An dieser Stelle meines Vortragsmanuskriptes hatte ich ein langes
Kapitel über die Handlungsoptionen von niedergelassen Ärzten geplant.
Allerdings rennt die Zeit und wir wollen zum Abschluß vielleicht ein
wenig über die verwirrende Vielzahl der möglichen Wege diskutieren.
Auch habe ich schon einiges zum Thema des niedergelassenen Arztes schon
vorweggenommen. Deshalb nur kurz:
Es liegt angesichts des wissenschaftlichen Erkenntisstandes auf der
Hand, dass die Einstufung von Cannabis/Marihuana in die Anlage I zum
BtMG und das Verbot, Cannabis/Marihuana beim Patienten anzuwenden (§
13 Abs. 1 S. 3 BtmG) einerseits ungerechtfertigt in das Grundrecht der
ärztlichen Therapiefreiheit eingreift und andererseits der Bundesgesetzgeber
mit diesem Eingriff die Regelungskompetenz der Bundesländer entgegen
dem Grundgesetz mißachtet.
Ich möchte kurz auf die Frischzellenentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
verweisen, die einen entsprechenden Eingriff des Bundesgesetzgebers
aufgehoben hat.
Ich halte es für durchaus vorstellbar, dass niedergelassene Ärzte selbst
hergestellte Arzneimittel in dem Wege anwenden können, dass der Patient
sie qua telemedizinischer Überwachung einnimmt. Ich sehe keinen Grund
dafür, dass es sich hierbei nicht um Arzneimittel handeln darf, die
mit dem Rohstoff Cannabis/Marihuana identisch sind. Der Rohstoff wird,
indem er durch die ärztliche Hand geht, zu einem Arzneimittel hinsichtlich
dessen ein ärztliches Anwendungsprivileg besteht.
Da ich die Vermutung habe, dass Drogenpolitik irrational ist, gehe ich
davon aus, dass sich ein solches Konzept nur im Zusammenhang mit der
Entwicklung eines Dispensierers durchsetzen lassen wird.
Hinsichtlich der Gewinnung des Rohstoffes wäre aus meiner Sicht an eine
ärztliche Erzeugergemeinschaft zu denken.
Für die Finanzierung eines solchen für Europa beispielhaften Pilotprojektes
wäre ein Blick nach Brüssel oder Straßburg zu empfehlen.
Es kann sich aus Sicht niedergelassener Ärzte somit als sinnvoll erweisen,
einerseits im jeweiligen Bundesland zu klären, ob die Herstellung zum
Zwecke der Anwendung und die Anwendung von Cannabis/Marihuana-Arznei
länderrechtlich möglich ist. Als weiteres sollten niedergelassene Ärzte
beim BfArM den Antrag stellen, Cannabis/Marihuana als Rohstoff zum Zwecke
der Herstellung von Arznei erwerben zu dürfen.
Damit wäre aus meiner Sicht ein de lege lata mögliches Ziel skizziert,
welches sich drogen- wie gesundheitspolitisch vertreten läßt, welches
nur wenig Einfluß auf den illegalen Markt der hedonistisch gebrauchten
Cannabis/Marihuana-Produkte hätte, welches sich in den allgemeinen Trend
der allgegenwärtigen Überwachungstechnologien einfügt und welches die
Begriffe Innovation, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort sowie sustainable
Growth operationalisiert.
5. Handlungsoptionen des Gesetzgebers
Nachdem ich nunmehr viele denkbare Wege aufgezeichnet habe, die in
Richtung „Cannabis als Medizin" beschritten werden können, möchte ich
anmerken, dass die gesamte Cannabis-Prohibition einer gesetzlichen Revision
bedarf.
Ich bin allerdings nicht der Erste und nicht der Letzte, der diese Ansicht
vertritt, und möchte mich deshalb darauf beschränken, einige Handlungsoptionen
des Bundesgesetzgebers im Kontext „Cannabis als Medizin" darzustellen.
Aufgrund der medizinisch nützlichen Wirkungen ist die Einstufung von
Cannabis/Marihuana in die Anlage von Cannabis/Mari-huana in die Anlage
I zum Betäubungsmittelgesetz überholt und verfehlt.
Solange der Gesetzgeber völkerrechtlich verpflichtet ist, die Prohibition
von Cannabis/Marihuana als Genussmittel qua Strafrecht durchzusetzen,
ist Cannabis/Marihuana in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes
einzustufen, da es sich bei Stoffen der Anlage I zum BtMG nur um gesundheitsschädliche
Stoffe, die für medizinische Zwecke ungeeignet sind, handelt. Der notwendige
Betäubungsmittelverkehr, um die ärztliche Anwendung zu ermöglichen,
ist durch Rechtsverordnung zu regeln. Der Bundesregierung ist es möglich,
um eine dahingehende –aus meiner Sicht notwendige parlamentarische Entscheidung-
zu beschleunigen, im Wege der Rechtsverordnung gemäß § 1 Abs. 3 BtMG
für ein Jahr Cannabis/Marihuana Eine solche Umstufung liesse das strafbewehrte
Verbot (§§ 13 Abs. 1 S. 3, 29 Abs. 1 Nr. 6 b BtmG) für niedergelassene
Ärzte, Cannabis/Marihuana zu verabreichen und zum unmittelbaren Gebrauch
zu überlassen, entfallen.
Schon eine dahingehende Absichtserklärung, eine solche Rechtsverordnung
in Erwägung zu ziehen, hätte mutmaßlich zur Folge, dass Konzepte der
ärztlichen Versorgung mit Cannabis/Marihuana durch die hierzu berufenen
Standesvertreter ernstlich diskutiert würden.
6. Petitionen und kleine Anfragen
Um es den Bundesländern und dem Bund zu erleichtern, bestehende Handlungsoptionen
wahrzunehmen, halte ich es für sinnvoll, dass Patienten und niedergelassene
Ärzte, einerseits Parlamentarierer unterstützen, kleine Anfragen zu
stellen, und andererseits versuchen, durch Petitionen Gesetzgebungsinitiativen
der Bundesländer zu initiieren.
Ich finde es erfreulich, dass sich der Präsident der Berliner Ärztekammer
für die gänzliche Legalisierung von Cannabis einsetzt. Ein erster Schritt
in diese Richtung wäre es, die ärztliche Anwendung von Cannabis/Marihuana
zu ermöglichen und u. U. zu regeln.
Es wäre erfreulich, wenn sich Standesvertreter auch für dieses konkrete
Anliegen, welches den Kernbereich der Berufsfreiheit -die Therapiefreiheit-
niedergelassener Ärzte betrifft, sich einsetzen würden. Die ärztliche
Anwendung von Cannabis/Marihuana würde, soweit sie wissenschaftlich
begleitet wird, en passant auch Erkenntnisse darüber erbringen, ob die
völkerrechtlich erzwungene Gefährlichkeitsprognose des Bundesgesetzgebers
hinsichtlich Cannabis/Marihuana zutreffend ist, und Erkenntnisse darüber
erbringen, ob die Regulierung eines Marktes nicht eher geeignet ist,
Gesundheitsgefährdungen von der Bevölkerung abzuwenden, als die Kriminalisierung
von Endverbrauchern. Wege ausgelassen werden."
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