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Universität Hamburg
Sommersemester 1996
Institut für politische Wissenschaft
Dozent: Peter Raschke
HS: Internationale Drogenpolitik im Vergleich, 05.335
AG: Cannabis
Gerrit Wiebe ,
Moritz Gottwald,
Warum mußte Cannabis verboten werden? - Die Rolle
der USA und der UN
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Cannabispolitik in den USA der 30er Jahre
2.1. Einleitung
2.2. Mußte Hanf als Konkurrent für die aufstrebenden Kunstfaser-,
Papier- und Pharmaindustrien eliminiert werden?
2.3. Welche Argumente gab es für und gegen das "Marihuana tax act"?
2.4. Anslinger und die Folgen seiner Politik
3. Die Rolle der Vereinten Nationen (UN)
3.1. Einleitung
3.2.1. Die Ergänzungsprotokolle von 1946 und 1948 und das Opiumprotokoll
von 1953
3.2.2. Die Single Convention on Narcotic Drugs von 1961
3.2.3. Das Wiener Übereinkommen von 1988
3.3. Die UN-Drogenkontrollorgane
3.3.1. ECOSOC
3.3.2. CND
3.3.2. INCB
3.3.3. Die WHO-Expertenkommission zu Drogenabhängigkeit
3.4. Ziele und Gründe der UN-Cannabis-/Drogenpolitik
3.5. Die Folgen für Cannabis
4. Mögliche Entwicklungen in der Zukunft
5. Literaturliste
Teil 2 und seine Unterpunkte wurden von Moritz Gottwald verfaßt.
Teil 3 und seine Unterpunkte wurden von Gerrit Wiebe verfaßt.
1. Einleitung
Der politische Umgang mit Drogen ist ein brisantes Thema, der politische
Umgang speziell mit Cannabisist besonders brisant. Brisant deshalb,
weil es das "Problem Cannabis" für die Politik erst seit Beginn
des 20. Jahrhunderts gibt. Vorher war dieses Politikfeld einfach nicht
existent, da der Umgang mit Cannabis nichts Problematisches oder gar
Gefährliches darstellte. Ganz im Gegenteil.
Was wir heute unter Drogen verstehen, waren zu einem großen Teil ursprünglich
weitverbreitete Medikamente oder Genußmittel, im Fall Cannabis eben
auch eine Nutzpflanze, aus der man unzählige Dinge herstellte, und die
man in manchen Ländern seit vielen hundert Jahren rauchte. Handelt es
sich bei den meisten Drogen im besten Fall um pharmazeutische Produkte
von ansonsten minderem Gebrauchswert, ist Cannabis eine Pflanze, die
über so viele nützliche Eigenschaften verfügt, dass heutzutage mancherorts
sogar von dem "Retter vor dem ökologischen Kollaps" gesprochen wird.
Übermäßigen Konsum von Drogen hat es zwar sicherlich immer gegeben,
spielte aber bis zu dem Zeitpunkt keine Rolle, als man sich völkerübergreifend
darauf verständigte, aus welchen Gründen auch
immer, bestimmte Drogen zu verbieten. Diese restriktive Umgangsweise
mit Drogen an sich, und die Prohibition von Cannabis im besonderen sind,
aufgrund von steigender Konsumentenzahlen trotz hoher Strafen, höchst
kontrovers.
Nachdem die regide Anti-Drogen Politik der Vereinten Nationen, angeführt
von den USA, über Jahrzehnte den Nährboden für einen rationalen Umgang
mit Drogen verseucht hat, ist diese Haltung angesichts der krassen Mißerfolge
nur noch sehr schwer aufrechtzuerhalten. Unmengen von Publikationen
und ein relativ scheuklappenarmer Umgang der Medien mit dem Thema hat
mittlerweile zu einem recht hohen Aufklärungsgrad in der Bevölkerung
geführt. Auch die Wissenschaft hat sich diesem Bereich angenommen, jedoch
nicht unbedingt die Politikwissenschaft. Speziell zum Thema Cannabis
sucht man nach wissenschaftlichen Diskussionen vergeblich. Man kann
jedoch auf Unmengen an allgemeiner Literatur zurückgreifen, die eine
Vielzahl an Informationen anbieten. Schwerpunktmäßig befaßt sich diese
Arbeit mit der Entstehung der Cannabis-Politik und der darauf aufbauenden
internationalen Ächtung durch die Vereinten Nationen, wobei es weniger
um Argumente für
oder gegen, sondern mehr um eine Analyse der Politisierung von Cannabis
gehen soll. Die Untersuchung der Strukturen der Vereinten Nationen als
maßgeblich verantwortliche Institution für die heutige Drogenpolitik
ist die konsequente Weiterführung dieses Ansatzes.
Die Frage, warum Cannabis verboten werden mußte, stellt sich zwangsläufig
bei der Behandlung dieses Komplexes, denn die Widersprüche
und Irrationalitäten, sowie die Ineffizienz der Politik sind offensichtlich.
Im ersten Teil wird zunächst ein kurzer Einblick in die wirtschaftlichen
Hintergründe im Zusammenhang mit Cannabis gegeben, die eine sehr wichtige
Rolle beim Umgang mit Cannabis spielen. Im Anschluß daran folgt eine
Analyse der Argumentationen, die letztendlich zu einem Verbot führten,
sowie eine exemplarische Betrachtung der US-amerikanischen Drogenpolitk
(verkörpert durch Harry Anslinger)
schließt den ersten Teil der Arbeit ab. Der zweite Teil befaßt
sich mit den Abkommen der Vereinten Nationen, welche den weltweiten
Umgang mit Drogen vereinheitlichen. Daran anschließend folgt eine Untersuchung
der einzelnen Kontrollorgane der UN, sowie der Ziele und Auswirkungen
dieser Organe, insbesondere im Bezug auf Cannabis. Ein Ausblick in die
Zukunft schließt diese Arbeit ab.
Zur Auswahl der Literatur, bzw. des Informationsmaterials ist zu sagen,
daß es kaum politologische Untersuchungen und Publikationen zu diesem
Thema gibt. Das hat zur Folge, daß relativ viel "graue" Literatur ausgewertet,
bzw. im Falle der UN, mit Primärtexten gearbeitet wurde.
2. Die Cannabispolitik in den USA der 30er Jahre
2.1. Einleitung
Bei genauerer Betrachtung der Entstehung des weltweiten Cannabis-Verbots
ist deutlich erkennbar, dass die USA eine wichtige, wenn nicht entscheidende
Rolle bei der Durchsetzung und Umsetzung spielten. Zwar sorgten die
Anträge von Ägypten und der Türkei dafür, daß Cannabis 1925 auf der
dritten Opiumkonferrenz in Genf unter Drogenkontrolle gestellt wurde
[1], jedoch war es vor allem das treibende Engagement des "US-Federal
bureau of narcotics and dangerous drugs" (FBNDD), daß das weltweite
Ansehen von Cannabis über seine Kampagnen und Gesetze bis in die Gremien
der Vereinten Nationen
prägte. Dabei ging es bei dem Verbot von Cannabis nicht lediglich um
eine Droge, auch wirtschaftliche Interessen, Rassismus und
persönlicher Ehrgeiz spielten eine wichtige Rolle. Denn daß es sich
bei Cannabis ursprünglich auch unter anderem um eine wirtschaftlich
bedeutsame Nutzpflanze handelt, welche der aufstrebenden Kunstfaserindustrie
Anfang des Jahrhunderts als Konkurrentin im Wege stand, wird häufig
übersehen, bzw. bewußt ignoriert.
Es gibt nicht DEN Grund, sondern ein Zusammenspiel mehrerer Gründe,
warum Cannabis in den Gesetzestexten fast aller Länder auf einer ähnlichen
Stufe wie Heroin steht. Einige dieser Gründe spiegeln sich deutlich
am Verhalten und den fadenscheinigen Argumenten der verantwortlichen
Politikern in den USA der 30er Jahre wieder. Warum sich Harry Anslinger,
der fast 30 Jahre das FBNDD leitete und prägte, gerade auf die Bekämpfung
von Cannabis konzentrierte, läßt sich nicht genau sagen, Tatsache ist
aber, daß die heutigen Cannabis-Gesetze zum großen Teil auf sein Wirken
zurückgehen.
2.2. Mußte Hanf als Konkurrent für die aufstrebenden Kunstfaser-, Papier-
und
Pharmaindustrien "eliminiert" werden?
Der Konsum von Cannabis ist in den USA seit der Besiedlungen im 17.
Jahrhundert bekannt und Hanf wurde wenigstens ebenso lange als Nutzpflanze
angebaut. Selbst George Washington tat dies 1765, angeblich um damit
seine Zahnschmerzen zu behandeln. Cannabis war, ähnlich wie Opium oder
Heroin, zunächst als Medizin gesellschaftlich akzeptiert und fand große
Anwendung [2], bevor es schrittweise verboten und dadurch auch aus diesem
großen Wirtschaftssektor vertrieben wurde.
In der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte gibt es Fakten, die dafür
sprechen, daß Hanf trotz bester Voraussetzungen und Prognosen nicht
für die Gesundung der durch die Jahre der Depression zu Beginn des Jahrhunderts
angeschlagenen amerikanischen Landwirtschaft sorgen konnte und durfte,
da den Extrakten der Pflanze der Ruf einer gefährlichen "Mörderdroge"
oktroyiert wurde, und somit als Nutzpflanze außer Betracht kam.
Große und einflußreiche Industrieunternehmen wie der Chemie-Großkonzern
DuPont hatten ein großes Interesse an dieser Ächtung und setzten sich
direkt und indirekt für ein Verbot der Pflanze ein. Hanf wurde, nachdem
die starke landwirtschaftliche Bedeutung seines Anbaus zur Gewinnung
von Fasern, Ölen, Papier, Farben, etc. aufgrund von fehlenden technischen
Möglichkeiten zur Massenproduktion im Zuge der industriellen Revolution
stark nachließ, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine zentrale Rolle
in der amerikanischen Landwirtschaft prophezeit. Das US-Landwirtschaftsministerium
schrieb in seinem Bulletin Nr. 404, daß durch die Entwicklung einer
Schäl- und Erntemaschine Hanf "seine Bedeutung als größter landwirtschaftlicher
Industriezweig wiedererlangen wird"[3].
1938 wurde eben diese Maschine in Fachzeitschriften wie Popular mechanics
und Mechanical
engineering vorgestellt. Die wirtschaftlichen Prognosen für die sich
nun ergebenen Möglichkeiten zum Massenanbau von Hanf sahen überaus günstig
aus, da Faserhanf sehr vielseitig nutzbar und der Anbau sehr effektiv
ist. So wurde auch auf dem Sektor der Zellstoffverarbeitung und der
Energiegewinnung im Auftrag des US-Landwirtschaftsministeriums mit Erfolg
geforscht.Durch diese technische Entwicklung bekamen die großen Holz-,
Papier, und Zeitungsunternehmen wie
die Hearst Paper manufacturing Division oder Kimberly Clark plötzlich
ernstzunehmende Konkurrenz,
denn Papier aus Hanf, das bis 1883 noch ca. 80% Marktanteile besaß,
ist qualitativ hochwertiger und wäre durch den technischen Fortschritt
wesentlich günstiger in der Herstellung. Der an Waldbestände gebundenen
Papierindustrie drohten große Verluste.
In dieser Zeit patentierte der Chemie- und Sprengstoffhersteller Du
Pont sowohl sein Verfahren zur Herstellung von Kunstfasern und Plastik
aus Öl, als auch das Sulfat/Sulfitverfahren zur Papierherstellungaus
Holzzellmasse. "Kunststoffe werden bei der Herstellung einer Bandbreite
von Produkten verwendet, die in der Vergangenheit aus natürlichen
Materialien gefertigt wurden"[4], schrieb Lammont DuPont 1939
im Popular mechanics. Bei diesen Produkten handelt es sich beispielsweise
um Dynamit und TNT, auf diesem Sektor hat Du Pont seit Anfang
des 20. Jahrhunderts durch Aufkäufe kleinerer Sprengstoffhersteller
eine Monopolstellung auf dem US-amerikanischen Markt inne. DuPont kontrollierte
1902 ca. zwei Drittel der industriellen Sprengstoffproduktion und deckte
40% des Munitionsbedarfs der Alliierten im ersten Weltkrieg. Das Verfahren
zur Herstellung von Sprengstoff aus Zellulose ist ähnlich der Herstellung
von Kunstfasern und Plastik aus Zellulose, und bisher wurde TNT und
Dynamit aus Hanfwerk hergestellt [5]. Durch die Beherrschung des Sprengstoffmarktes
und die führende Stellung in der
Kunstfaserforschung ergab sich eine Chance zur weiteren Monopolisierung,
denn mit Hilfe der Patente konnte DuPont nun unabhängig von Zulieferern
und Kleinbauern die Herstellung von Kunstfasern kontrollieren. Hanf
ist genau in diesen Bereichen ein qualitativ hochwertiger Konkurrent
für Kunststoff und Plastik. Es lag also absolut im Interesse der Kunstfaserindustrie,
daß Hanf verboten wurde.
Andrew Mellon, Angehöriger der damals hinter DuPont zweitreichsten
Bankier- und Unternehmerfamilie Amerikas war über die "Mellon Bank of
Pittsburgh", damals die sechstgrößte Bank der USA, wichtigster Geldgeber
DuPonts. In seiner Funktion als Finanzminister im Kabinett Präsident
Herbert Hoovers ernannte er den zukünftigen Mann seiner Nichte, Harry
J. Anslinger, zum Leiter der neuorganisierten staatlichen Rauschgift-
und Drogenbehörde FBNDD. Ob diese Verstrickung ein reiner Zufall ist
oder nicht, sie bewirkte, daß von nun an mit staatlichen Mitteln massiv
gegen Cannabis vorgegangen wurde, wie es auch im DuPont-Aktionärsbericht
von 1937 angesprochen wurde: "Wir fordern radikale Einschnitte bei der
Steuergesetzgebung der Regierung. Sie könnte in ein Instrument
verwandelt werden, die Akzeptanz neuer Ideen des industriellen und sozialen
Wiederaufbaus zu beschleunigen"[6]. Mit diesen "neuen Ideen des industriellen
Wiederaufbaus" waren die bereits erwähnten Kunstfasern- und Stoffe gemeint.Die
Forderungen DuPonts wurden in die Tat umgesetzt, am 14. April 1937 wurde
von dem Chefberater
des Finanzministeriums Herman Oliphant ein Entwurf für ein Marihuana-Steuergesetz,
das eine Gewerbesteuer für Händler und eine Erwerbssteuer für den Kauf
von Cannabis beinhaltete, eingebracht. Der Handel mit Marihuana wurde
von nun mit 1 Dollar pro Unze, bzw. mit 100 Dollar, wenn der Händler
nicht registriert war, besteuert. Die Strafspanne bei Nichtbeachtung
ging von 2000$ Geldstrafe bis fünf Jahre Haft.
Diese Steuer vertrieb kleine landwirtschaftliche Betriebe aus dem Hanfanbaugeschäft,
die bisher einen großen Teil der Gesamtproduktion von Faserhanf ausmachten.
Auch Ärzte nahmen wegen der erforderlichen komplizierten Buchführung
immer mehr Abstand davon, Cannabis zu verschreiben, was den Weg für
neue, synthetische Medikamente ebnete, die nicht in jedem Garten anbaubar
sind.
Oliphant brachte den Gesetzesvorschlag direkt im Haushaltsausschuß des
Kongresses ein, auf diese Weise wurden andere zuständige Ausschüsse
wie die für Nahrung und Rauschgift, Landwirtschaft, Textil und Handel
umgangen. Der Haushaltsausschuß behandelt Gesetzentwürfe direkt im Plenum,
ohne dass diese vorher in anderen Ausschüssen debattiert werden müssen.
Als dann das Gesetz im Plenum des
Kongresses zur Beratung und Abstimmung vorlag, kam aus dem Publikum
lediglich die Frage, ob der Amerikanische Ärzteverband (AMA) konsultiert
wurde. Dieses wurde von dem Abgeordneten Vinson bestätigt. Er behauptete:
"Dr. Wharton (fehlerhafte Aussprache für Woodward) und die AMA stimmen
vollkommen mit uns überein"[7]. So wurde das Gesetz verabschiedet und
zog eine bis heute andauerndes Verbot von Cannabis nach sich.
Die dargestellten Übereinstimmungen wirtschaftlicher Interessen mit
dem parallel entstandenen "Marihuana tax act" könnten zufälliger Natur
sein. Eventuell hätten sich Kunstfasern, etc. auch mit Hanf als Konkurrenten
durchgesetzt. Es ist jedoch erstaunlich, daß der Anbau von Cannabis,
obwohl ursprünglich nur wenige der über 100 verschiedenen Arten das
"gefährliche" THC produzieren, prinzipiell geächtet wurde und z. B.
in der Bundesrepublik sein Anbau erst im Februar 1996 wieder eingeschränkt
zugelassen wurde. Zudem erscheinen das Zustandekommen des Gesetzes und
die fadenscheinigen Begründungen und Argumente dafür sehr dubios. Im
folgenden Abschnitt sollen diese Argumente näher beleuchtet werden.
2.3. Welche Argumente gab es für und gegen das "Marihuana tax act"?
Das "Marihuana tax act" wurde zwischen 1935 und 1937 in geschlossenen
Sitzungen des
Finanzministeriums entworfen. Im Vorfeld startete das FBNDD einen
wahren Kreuzzug gegen Cannabis, und es wurden landesweit Bücher wie
"Assassin of youth" oder Filme wie der von Anslinger in Auftrag gegebene
"Reefer Madness" verbreitet, die wahre Horror-Szenarien beinhalteten
und als Warnung vor Tod und Verderben durch Marihuana gedacht waren.
Als der Entwurf von Herman Oliphant vorgelegt und debattiert wurde,
gab es keine wissenschaftliche Erkenntnisse, die gegen Cannabis vorgebracht
wurden, sondern lediglich ein Reihe von Vorurteilen, die größtenteils
aus der Presse und Polizeiberichten entnommen wurden. So wurde in der
Anhörung des 75. Kongresses vor dem Steuerausschuß des Repräsentantenhauses
vom 27.4. bis 4.5. 1937 von dem Drogenbeauftragten des Finanzministeriums
Harry Anslinger und Clinton Hester (einem weiteren Vertreter des Finananzministeriums)
u. a. folgende Argumente für das Steuergesetz vorgebracht [8]:
· Marihuana ist die gewalterzeugenste Droge der Menschheit.
· Die Wirkung ist tödlich.
· Opium hat gute Eigenschaften wie Dr. Jekyll und schlechte wie Mr.
Hyde. Die neue Droge entspricht
ganz und gar dem Monster Hyde, sie richtet unermeßlichen Schaden an.
· Sie wirkt auf Individuen unterschiedlich. Manche verlieren völlig
das Gefühl für Zeit oder für Werte. Sie haben das Gefühl von physischer
Kraft und Stärke. Andere werden tobsüchtig,...und können in diesem Zustand
sogar Verbrechen begehen. Manche lachen hemmungslos.
Diese unfundierten, unbewiesenen und populistischen Behauptungen überzeugten
den Kongreß offensichtlich, obwohl sich in den Anhörungen auch geladene
Sachverständige wie der Arzt und Rechtsanwalt Dr. William C. Woodward
als Stellvertreter des Amerikanischen Ärzteverbandes, welcher während
der zweijährigen Beratungen über das Gesetz nicht zu Rate gezogen wurde,
vehement gegen das Gesetz aussprachen. Woodward wies u. a. deutlich
auf die Verschleierung des Tatbestandes durch die Benutzung des mexikanischen
Slangwortes "Marihuana" anstatt des wissenschaftlichen Terminus "Cannabis"
hin. Er kritisierte auch die Presse, die ebenfalls durch die permanente
Benutzung des Wortes "Marihuana" von dem Industriestoff und Heilmittel
ablenkte.
Dieses war ein wichtiger Hinweis, denn um solche und andere Thesen wie
die, daß rund 50 Prozent aller Schwerverbrechen auf marihuanakonsumierende
Ausländer zurückzuführen seien, zu belegen, zitierte Anslinger hauptsächlich
Zeitungsberichte aus seiner sogenannten "Blutakte". Wie auch in späteren
Jahren wurde Cannabis funktionalisiert, um bestimmte Gesellschaftsgruppen
zu diskreditieren und um gegen sie vorgehen zu können. In den 50er,
60er und 70er Jahren waren es rebellierende, nicht in das Bild des "American
way of life" passende Jugendkulturen, gegen die man über die Marihuana-Gesetze
eine Handhabe hatte. In den 20er und 30er Jahren waren es die auf den
amerikanischen Arbeitsmarkt einfallenden "potrauchenden Mexikaner" und
farbige Jazz-Musiker, gegen die man sich mit bösen Vorurteilen zu wehren
versuchte. Permanent wurde eine Beziehung zwischen
Kriminalität, Mexikanern, bzw. Schwarzen und Cannabis hergestellt und
von der amerikanischen Boulevardpresse breitgetreten.
Dabei trat besonders die Zeitungskette des bereits erwähnten Zeitungsmoguls
Randolph Hearst hervor, der daran ein tiefergehendes Intersse hatte.
Es war vor allem seine landesweit operierende Zeitungskette, die für
die "Beweise" Anslingers sorgten. Sie führte zwischen 1916 und 1937
eine regelrechte Hetzkampagne gegen Cannabis durch, aber selbst Zeitungen
wie die New York times, berichteten in dieser Zeit häufig über Vergewaltigungen
und Autounfälle im Zusammenhang mit Marihuana. Diese Berichte sorgten
für ein absolut negatives und einseitiges Image des Hanf, welches sich
ausschließlich
auf seine Verwendung als Droge konzentrierte und nur noch im Zusammenhang
mit Mord und Totschlag erwähnt wurde.
Außer mit diesen Horrormeldungen, die Anslinger bei kritischen Nachfragen
als Argumente anführte, war die Anti-Cannabispolitik nicht zu rechtfertigen.
Die Fakten der Berichte aus dieser "Blutakte" Anslingers, die er zusammen
mit seinen gesamten Unterlagen der Bibliothek von Cleveland überließ,
wurden Jahre später wissenschaftlich ausgewertet, und keiner der Berichte
wurde für echt gehalten[9] .
Neben der Ärzteschaft gab es weitere Stimmen gegen das Gesetz, so aus
der Richtung der Hanffaser-, Schmieröl-, Hanfsamen- und Farbenindustrie,
in deren Augen es keinen Sinn ergab, gegen die Verarbeitung und Produktion
dieser Pflanze mit einer derartig rigide Steuer vorzugehen. Doch sie
hatten gegen die Vehemenz, mit der das FBNDD das Gesetz durchdrückte
und die Tatsache, daß Cannabis bereits eine internationale Ächtung erfahren
hatte, keine Chance. Abgesehen davon gab es zu dieser Zeit keinerlei
wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Folgen des Cannabis-Konsums,
die die
Marihuana-Steuer hätten rechtfertigen können. Mehrere Studien dieser
Zeit wie der Bericht der "Indischen Hanfdrogen-Kommission" oder die
Studie der "Siler-Kommission" konnten keine Schäden beim Rauchen von
Cannabis feststellten [10] und sogar der stellvertretende Leiter der
amerikanischen Gesundheitsbehörde Walter Treadway beschrieb noch 1937
vor dem Cannabis-Untersuchungsausschuß des Völkerbundes Marihuana als
"gewohnheitsbildend genau wie Zucker und Kaffee".[11]
2.4. Anslinger und die Folgen seiner Politik
Sicherlich ist es falsch, eine einzige Person für das Verbot von Cannabis
verantwortlich zu machen, denn diese Art der Politk spiegelt in gewisser
Weise den Geist dieser Zeit wider. Jedoch hatte das "Marihuana tax act"
und die entsprechende "Öffentlichkeitsarbeit" des FBNDD, wofür sich
Harry Anslinger wie kein weiterer mit voller Leidenschaft einsetzte,
weitreichende Folgen.Anslinger blieb fast 30 Jahre lang an der Spitze
des FBNDD und etablierte mit seiner dubiosenCannabis-Politik eine Drogenbürokratie,
die nach dem Ende der Alkohol-Prohibition 1933 kurz vor dem Ende stand.
Da er seine "unseriösen" Argumente gegen Cannabis nicht ewig vertreten
konnte, durchlebten seine Ansichten über die Jahre einige obskure Wendungen:
Behauptete er 1937 noch, Marihuana mache gewalttätig, so war er 1948
der Meinung, Marihuana könnte von Kommunisten dazu benutzt werden, die
amerikanische Kampfmoral zu schwächen, da es nahezu pazifistische Wirkungen
habe [12].
1951 rechtfertigte er den "Boggs-act" zur amerikaweit einheitlichen
Straffestlegung und weiteren Etablierung des Cannabis-Verbots
mit der These, Cannabis führe zwangsläufig zum Konsum härteren Drogen.
Eine These, die auch heute noch in vielen Köpfen steckt und immer wieder
gegen Cannabis vorgebracht wird.
Anslinger hatte begründete Angst vor ihm widersprechenden Erkenntnissen,
deshalb behinderte er jahrelang jegliche Forschungen auf dem Cannabis-Gebiet.
In New York wurde eine immerhin sechsjährige Untersuchung des Cannabis-Konsums
in bestimmen Stadtteilen durchgeführt. Benannt nach dem damaligen Bürgermeister
LaGuardia, widerlegte diese, ohne Anslingers Genehmigung durchgeführte
Studie Anslingers Behauptung, Marihuana mache gewalttätig. Daraufhin
erklärte Anslinger, die verantwortlichen Ärzte würden im Gefängnis landen,
sollten sie je wieder ohne seine persönliche Genehmigung Experimente
mit oder Forschungsarbeiten über Marihuana durchführen [13].
Trotz dieser Widersprüche und Irrationalitäten stimmte der Kongreß für
die Beibehaltung des
Marihuana-Gesetze, auch wenn Hanf während des zweiten Weltkrieges im
Zeichen der
Rohstoffknappheit eine kurze Wiedergeburt erlebte. Das amerikanische
Landwirtschaftsministerium forderte Bauern unter dem Motto "Hemp for
victory" verstärkt dazu auf, Faserhanf anzubauen. In diesen harten Zeiten
sah man wohlwollend über den "eigentlich bösen" Charakter von Cannabis
hinweg.
Nach dem Krieg gelang es Anslinger jedoch, den Kampf gegen Cannabis
fortzuführen und sogar zu verstärken. Immer härtere Gesetze wie das
"Narcotic control act" wurden festgelegt, die in einigen Fällen sogar
die Todesstrafe vorsahen. Der starke Einfluß der USA als stärkster Geldgeber
der Vereinten Nationen führte schließlich dazu, daß sich die harte amerikanische
Linie das FBNDD in der internationalen Staatengemeinschaft durchsetzte.
Harry Anslinger war 1947 Vorsitzender der UN-Drogenkommission. In dieser
Funktion erreichte er beispielsweise, daß die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) 1954 beschloß, Hanf und seine Derivate hätten keinerlei therapeutischen
Wert [14]. 1961 wurde Cannabis mit der "Single convention of narcotic
drugs" Morphin und ähnlichen Substanzen gleichgesetzt und so wurden
Fakten geschaffen, die nur sehr schwierig wieder rückgängig zumachen
sind, selbst wenn es den Länder gäbe, die dieses anstrebten. Denn was
einmal verboten ist, hat für immer den Anschein von Verbrechen. Zwar
entspannte sich die amerikanische Gesetzeslage nach Anslingers Amtsabtritt
1962 wieder leicht, so wurde davon abgesehen, jeden Erstkonsumenten
sofort hart zu bestrafen, doch das Cannabis verboten ist, hat sich trotz
aktueller Lockerungen "verewigt". Dazu ein Zitat von Harry Anslinger:
"Wer nun noch in den USA Marihuana legalisieren will, verstößt gegen
internationale Übereinkommen. Nun kann mir niemand mehr innenpolitisch
kommen. Außerdem haben wir international unseren Standpunkt durchsetzen
können, was eine Bestätigung des Ansehens der USA ist". [15]
Abschließend sieht man am Beispiel der frühen amerikanischen Cannabispolitik,
wie stark Drogenpolitik emotionalisiert und von Unwissenheit geprägt
ist. Vordergründig scheint es, als gehe es um den Schutz der Gesellschaft,
doch im Hintergrund stehen ganz andere Interssen und Interessengruppen.
3. Die Rolle der Vereinten Nationen (UN)
3.1. Einleitung
Der folgende Teil soll die Rolle der Vereinten Nationen (UN) im Rahmen
einer internationalen Drogenpolitik darstellen und erläutern. Es wird
hierbei auf unterschiedliche Aspekte bezug genommen. Zunächst soll es
darum gehen, die internationalen UN-Abkommen im Drogenbereich kurz darzustellen.
Gleiches wird mit den in den Drogenbereich involvierten UN-Organen geschehen.
Im Rahmen des zu behandelnden Themas wird der Schwerpunkt auf die Bedeutung
für Cannabis gelegt. Desweiteren soll nach Zielen und Ursachen für die
Cannabispolitik der UN gesucht werden. Ziel soll es sein, die Möglichkeiten
und Versuche der Einflußnahmen zu durchschauen. Die Frage welche UN-Politik
in Zukunft zu erwarten ist, wird zum Abschluß gestellt.
2.2. Die UN-Drogenabkommen
In der Geschichte der UN wurden diverse Abkommen betreffend des internationalen
Drogenhandels und der -behandlung abgeschlossen. Ein kurzer historischer
Abriß seit der Gründung der United Nations soll diese darstellen. Bestrebungen
internationale Abkommen zu schaffen entstanden durch die Opium- und
Morphinsucht in China. Das grundsätzliche Ziel aller internationalen
Abkommen ist die Verringerung des Anbaus von Drogenpflanzen und die
Minimierung der Herstellung von synthetischen Drogen.
3.2.1. Die Ergänzungsprotokolle von 1946 und 1948 und das Opiumprotokoll
von 1953
Das Ergänzungsprotokoll vom 11. Dezember 1946 ist das erste drogenpolitische
Protokoll der UN. Es enthält keine eigenen inhaltlichen Aussagen, sondern
verfolgt das Ziel eines kontinuierlichen Übergangs der Arbeit des Völkerbundes
zur UN. Alle Aufgaben im Bereich Drogen, die bisher der Völkerbund erfüllt
hatte, sollen nun durch Organe der neuen Vereinten Nationen weitergeführt
werden. An dieser Stelle sollen die Völkerbund-Abkommen nicht näher
behandelt werden. Die Übernahme der internationalen Abkommen aus den
Jahren 1912 bis 1945 hat allerdings auch eine Relevanz für Cannabis.
Im Genfer Betäubungsmittelabkommen von 1925 wurde das Opiumabkommen
aus dem Jahre 1912 unter anderem um die Kontrolle des "indischen Hanfes"
ergänzt. Ziel der Abkommen (auch in bezug auf Cannabis) war, Produktion
und Handel der genannten Stoffe auf das Maß des nötigen Verbrauchs zu
verringern. Das Protokoll vom 19. November 1948 stellte auch synthetisch
erzeugte Rauschmittel unter die Kontrolle der UN.
Die Verringerung des Anbaus von Mohn-, Coca- und Cannabispflanzen per
internationalem Abkommen war nicht so effektiv wie erhofft, da sich
die Überwachung solcher Abkommen als sehr schwierig erwies. Um diese
Kontrolle zu verbessern, wurde 1953 das Opiumprotokoll verabschiedet.
Dieses beschäftigt sich mit Opiumproduktion und -handel und nicht explizit
mit Cannabis (oder Coca) - obwohl in diesem Bereich dieselben Überwachungsprobleme
vorhanden waren und sind. Das Drogenproblem dieser Zeit war in den Augen
der UN ein Opiumproblem. Es gab also gar kein Cannabisproblem.
3.2.2. Die Single Convention on Narcotic Drugs von 1961 [16 ]
Die Single Convention ersetzte alle vorherigen Abkommen (außer die
Konvention von 1936), indem sie diese zusammenfaßte, um eine bessere
Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Besondere inhaltliche
Neuorientierungen fanden nicht statt. Trotzdem bildet dieses "Abkommen
heute noch die wichtigste Grundlage für die nationalen Gesetzgebungen,
beauftragt es doch die beteiligten Staaten, Gesetze zu schaffen, damit
die empfohlenen Maßnahmen des Abkommens innerhalb ihrer Grenzen wirkungsvoll
durchgesetzt werden." [17]
Untersucht man die Bedeutung dieses Einheitsabkommens für Cannabis ist
eine Neuerung jedoch zu erwähnen. Zusätzlich zu der im Abkommen von
1953 vereinbarten intensiven Kontrolle von Opium wird eine ähnliche
Behandlung von Cannabis und Cannabis-Harzen beschlossen (gleiches galt
nun auch für Cocablätter). Cannabis und Cannabis-Harz darf infolgedessen
legal nur noch für medizinische und wissenschaftliche Zwecke produziert
werden. Diese Beschränkung gilt nicht für den industriellen Cannabisanbau
zur Faser- und Samenerzeugung und für den gärtnerischen [18] Cannabisanbau.
Cannabisblätter sind im Sinne der Single Convention keine Droge. Die
extracts und tinctures gelten jedoch als Drogen. Es besteht durch die
Single Convention keineVerpflichtung den nicht-medizinischen
Gebrauch von Cannabisblättern zu untersagen. Die Nationen sind aber
aufgefordert, den Mißbrauch und den illegalen Handel zu verhindern.
Diese Ausnahme begründet sich darin, daß der Cannabisblattkonsum in
einigen Unterzeichnerstaaten als ein Teil des sozialen Lebens angesehen
wird. [19]
Trotzdem fordert die Single Convention ein möglichst schnelles Ende
jedes nicht medizinischen oder wissenschaftlichen
Gebrauchs von Cannabis in den Unterzeichnerstaaten. Umgesetzt werden
soll dies spätestens 25 Jahre nach Inkrafttreten der Konvention[20]
Drogenkonsum laut UN in keinem Land ein "way of life" ist. [21] Die
Unterzeichnerstaaten der Single Convention sind nicht dazu verpflichtet
dem Generalsekretär der UN die Menge der beschlagnahmten Cannabisblätter
(was beispielsweise bei Opium so ist) im eigenen Land zu übermitteln,
obwohl der Handel damit unter die normalen Vereinbarungen gegen den
illegalen Drogenhandel fällt.
In internationalen Vereinbarungen der Jahre 1971 und 1972 [22] wurde
die UN-Drogenkontrolle auch auf Halluzinogene ausgeweitet. Außerdem
wurde die Single Convention neu gefaßt und die Aufgaben des internationalen
Betäubungsmittel-Kontrollorgans (INCB) festgeschrieben.
3.2.3. Das Wiener Übereinkommen von 1988
Im Übereinkommen vom 20. Dezember 1988 werden Tatbestände erfaßt, die
in den Unterzeichnerstaaten verboten sein sollen. Die Staaten verpflichten
sich zur Einführung "von Bestimmungen über Beschlagnahme [...] von Drogengeld,
[...] zur Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, [... und] zur
Unterstützung von Transitstaaten und Entwicklungsländern [...]." [23]
Außerdem geht das Abkommen auf die Herstellung von Chemikalien zur Drogenherstellung
ein. Die einzelnen Staaten sind nicht verpflichtetden Drogenkonsum unter
Strafe zu stellen. Jeder Kauf und Besitz von Drogen muß jedoch bestraft
werden.
3.3. Die UN-Drogenkontrollorgane
Im folgenden sollen die wichtigsten Organe der UN im Drogenbereich
näher beleuchtet werden. Dabeiwird es um Entstehung, Zusammensetzung,
Aufgabenstellung und Bedeutung der jeweiligen Institution gehen. Auf
Besonderheiten im Umgang mit Cannabis wird eingegangen.
Im Zusammenhang mit Drogenpolitik agieren für bzw. in der UN folgende
Organe:
· ECOSOC - Economic and Social
Council of the UN
· CND - Commission on Narcotic Drugs
· INCB - International Narcotics Control Board
· WHO - World Health Organization Expertenkommission.
3.3.1. ECOSOC
Das Economic and Social Council of the UN (ECOSOC) übernimmt die Funktionen
der
Generalversammlung im Bereich der Drogenkontrolle. Das ECOSOC kann eigenständig
UN
Entwicklungsprogramme ins Leben rufen und auch Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
mit
Nicht-Regierungs-Organisationen treffen. Seine Aufgabe im Drogenbereich
besteht u.a. darin Studien in Auftrag zu geben und internationale Konferenzen
auszurichten. Es hat keinerlei legislative Kompetenzen, sondern ist
eher ein Diskussionsforum unter dessen Dach und Kontrolle andere, spezialisiertere
Institutionen arbeiten. [24] Das ECOSOC hat seit 1946 diverse Kommissionen
ins Leben gerufen.
3.3.2. CND
Eine dieser untergeordneten Institutionen ist die Commission on Narcotic
Drugs (CND). Schon 1946 vom ECOSOC ins Leben gerufen übernahm diese
die Aufgaben des Opium Advisory Committee des früheren Völkerbundes.
Die CND arbeitet als zentrales politikmachendes Organ dem ECOSOC zu.
Sie erstellt Vorschläge für internationale Konventionen und macht Vorschläge
in welchen Bereichen die vorhandene
Drogenkontrolle wie verbessert werden könnte. Außerdem untersucht die
CND die Berichte der nationalen Regierungen über nationale Gesetze und
Probleme. Überwachung und Kontrolle bilden den einen Teil der Arbeit
der CND. Auf der anderen Seite soll versucht werden, die Nichtunterzeichnerstaaten
der internationalen Abkommen zum Beitritt zu bewegen. Das CND erstellt
(unter Berücksichtigung der WHO-Vorschläge) die Liste der Substanzen,
welche als Drogen unter Beschränkungen der UNO gestellt sind. [25]In
Kooperation mit anderen Organisationen (z.B. WHO, INTERPOL) versucht
die CND Trainingsprogramme für Experten aus den Mitgliedsländer durchzuführen.
Die Qualifizierung regionaler
Institutionen geht einher mit dem Anbieten von technischer Unterstützung
bei der Erfassung und Verfolgung von Drogendelikten. Die Bedeutung und
Wirkung der Arbeit der CND ist beschränkt durch den Willen zur Zusammenarbeit
der einzelnen Staaten. Die Arbeitsfelder des CND lassen sich folgerichtig
unter den folgenden Stichworten zusammenfassen:
· Überwachung und Analyse der globalen Drogenkontrolle
· Vorbereitung internationaler Konventionen
· Ausarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Drogenkontrolle
· Beobachtung der Umsetzung beschlossener Programme
· Begleitung der politischen Entscheidungsprozesse.
Die Mitglieder in der CND kommen entweder aus wichtigen produzierenden
oder verarbeitenden Ländern oder aus Ländern in denen der illegale Drogenhandel
ein "serious social problem" ist. [26] Wurden zu Beginn lediglich 13
UN-Staaten vom ECOSOC aufgefordert Delegierte in die CND zu schicken,
werden die heute 53 Mitglieder seit 1961 aus der Gesamtheit aller Staaten
ausgewählt. Dies bedeutet, daß auch Länder ohne UN-Mitgliedschaft in
der CND vertreten sein können. [27] Die CND hat fünf untergeordnete
Körperschaften:
· Subcommission of Illicit Drug Traffic and Related Matters in
the Near and Middle East
· Heads of National Drug Law Enforcement Agencies (HONLEA) Asia and
the Pacific
· HONLEA Africa
· HONLEA Latin America and the Caribean
· HONLEA Europe.
Diese Unterkommissionen haben das Ziel die regionalen Eigenarten der
Entwicklung im
Drogenkontrollbereich mit Hilfe von Arbeitsgruppen zu beobachten und
diese Ergebnisse der CND zu übermitteln. [28]
3.3.2. INCB
Das International Narcotics Control Board (INCB) existiert seit 1968
und ersetzte das Permanent Control Board and Supervisory Body.
In der Single Convention ist festgehalten, wie sich das INCB zusammensetzt
und welche Aufgaben es hat.
Nach Aufforderung durch das ECOSOC liefern ca. 170 Staaten dem INCB
jährliche Daten über ihren medizinischen und wissenschaftlichen Bedarf
an international kontrollierten Substanzen. Diese und andere Daten veröffentlicht
das INCB jährlich in einem Report. Mit Hilfe der erhobenen Daten versucht
das INCB festzustellen, ob die internationalen Abkommen die angestrebten
Wirkungen haben.Gleichzeitig bewertet es die internationalen und nationalen
Anstrengungen in der Umsetzung der Abkommen. Es kann Hinweise geben,
in welchen Ländern finanzielle oder technische Hilfe (durch z.B. die
CND) nötig ist. Es macht außerdem Vorschläge für Änderungen in den nationalen
Gesetzen.
Die zwei Hauptaufgaben des INCB gehen in sehr unterschiedliche Richtungen.
Einerseits soll das INCB dafür sorgen, daß eine für medizinische und
wissenschaftliche Zwecke ausreichende Menge der kontrollierten Substanzen
zur Verfügung steht. Andererseits soll es dafür sorgen, daß möglichst
wenig anderer Handel und Herstellung der kontrollierten Substanzen stattfindet.
Existierende Schwächen des Kontrollsystems auf internationaler und auf
nationaler Ebene sollen offengelegt und korrigiert werden. Wenn einzelne
Länder die Ziele der Single Convention durch ihr Verhalten ernsthaft
gefährden (und andere Maßnahmen keine Wirkungen zeigen), kann das INCB
die Generalversammlung auf diese
Verstöße hinweisen. Gegebenenfalls kann das INCB die Mitglieder der
UN dazu auffordern, bestimmte Substanzen weder in das betroffene Land
zu exportieren noch aus dem Land zu importieren. Ein solches Teilembargo
kann bis zu einer für das INCB zufriedenstellenden Regelung aufrechterhalten
werden. Es kann nicht von anderen UN-Organen außer Kraft gesetzt werden..
[29]
Das INCB ist technisch vollständig unabhängig vom ECOSOC und untersteht
finanziell der UN-Generalversammlung. Zur Zeit besteht das INCB aus
13 Mitgliedern. [30]
Zehn davon werden durch das ECOSOC aus einer Vorschlagsliste der
Regierungen ausgewählt. Weitere drei werden aus aus einer Liste, die
das WHO aufstellt, ausgewählt.[31]
Eine geographisch möglichst repräsentative Verteilung der
Herkunft seiner Mitglieder ist angestrebt. Das INCB versteht sich als
ein Expertengremium mit den oben aufgeführten, lediglich technischen
Aufgaben.
3.3.3. Die WHO-Expertenkommission zu Drogenabhängigkeit
In Bereich der medizinische Aspekte von Abhängigkeit und abhängigmachenden
Substanzen
berücksichtigt die CND die Meinungen der World Health Organization (WHO)
und ihres
Expertenkommittees zu Drogenabhängigkeit. Dieses Kommittee empfielt
der CND bestimmte
Substanzen unter die UN-Kontrolle zu stellen (oder wieder freizugeben)
und untersucht gleichzeitig eventuell abhängigmachende Substanzen
auf ihre Wirkungen. Es berät sowohl die WHO als auch die UN. Der Generaldirektor
der WHO wählt die Mitglieder auf der Basis ihres Fachwissens (unter
Berücksichtigung einer gleichmäßigen geographischen Verteilung der Herkunftsländer)
aus. Diese sollen als internationale Experten und nicht als Vertreter
ihrer Herkunftsländer agieren. Deshalb dürfen sie keiner anderen Authorität
als der der WHO unterstehen. Die Entscheidungen in diesem Gremium sollen
im Konsens auf rein wissenschaftlicher Basis gefällt werden. Ziel ist
die Einstufung von Substanzen aufgrund ihrer Gefährlichkeit. Es soll
Empfehlungen betreffs der Behandlung von Abhängigen ausgeben und
Trainings- und Ausbildungsprogramme unterstützen.
Die Meinungen des Expertenkommittees zu bestimmten Substanzen
werden von der WHO an den Generalsekretär der UN weitergegeben. Das
CND entscheidet letztlich welche Substanzen der UN-Kontrolle unterstellt
werden. Es berücksichtigt die Empfehlungen des WHO-Expertengremiums,
kann sich aber über diese hinwegsetzten, wenn ökonomische, soziale,
legale, verwaltungstechnische oder andere Faktoren den medizinischen
Empfehlungen widersprechen. [32]
Schwer erreichbar ist die Zielsetzung der totalen Unabhängigkeit des
Expertenkommittees von den Herkunftsländern. Ein Großteil der Mitglieder
besteht aus ehemaligen Regierungsangestellten ihrer Heimatstaaten. Diese
werden jedoch nicht nur nach Fachwissen o.ä. ausgewählt. Ein reines
Expertengremium ist in der Realität nur schwer zu besetzen. Dies hat
allerdings den Vorteil, daß die Koordination zwischen unterschiedlichen
Staaten eher erleichtert als erschwert wird. Das Gremium tritt
auch als Kontrollinstanz auf - jedoch nicht als Gegner, sondern eher
als Koordinator zwischen den Staaten. [33]
3.4. Ziele und Gründe der UN-Cannabis-/Drogenpolitik
Das Hauptziel der UN-Drogenpolitik lag und liegt zunächst im Auf- und
Ausbau eines möglichst effektiven Drogenkontrollsystems. Dieses soll
möglichst alle erzeugten Drogen (und Vorprodukte, sowie die zur Herstellung
benötigten Chemikalien) erfassen und den für medizinische und wissenschaftliche
Zwecke benötigten Bedarf ermitteln. Es soll sichergestellt werden, daß
letzterer Bedarf befriedigt werden kann. Jede Drogenerzeugung über diesen
Bedarf hinaus ist Grund für die UN-Institutionen aktiv zu werden. Die
UN-Beschlüsse sollen möglichst weitgehend umgesetzt werden. Ziel ist
die Anerkennung dieser Beschlüsse auch in Nichtunterzeichnerstaaten,
um so eine globale Drogenkontrollpolitik auf der Basis gleicher Prinzipien
zu etablieren.
Eine Vielzahl von Gründen werden von UN-Organen angeführt, wenn es
darum geht warum eine Drogenkontrollpolitik unbedingt nötig ist. Diese
Begründungen haben z.T. medizinische Hintergründe:
Drogennutzer schädigen laut UN ihre eigene Gesundheit und verbauen
sich die Chance eines glücklichen Lebens. Doch nicht nur sich selbst
schädigen sie. Die Familien Drogenabhängiger leiden mit an der Selbstzerstörung
geliebter Mitmenschen. Speziell auch die Substanz Marijuana ist in den
Augen der UN sehr gefährlich, da sie Reaktionszeiten herabsetzt und
wesentlich länger im Körper bleibt als beispielsweise Alkohol. Im Vergleich
zu Zigaretten ist außerdem ein erhöhtes Krebsrisiko feststellbar.
Doch neben diesen individuellen Gründen führt die UN auch gesamtgesellschaftliche
Gründe auf. In Gesellschaften in denen Drogengebrauch häufig ist, ist
die wirtschaftliche Weiterentwicklung zurückgeblieben bzw. gefährdet.
Auch können die einzelnen Abhängigen kein produktives Leben mehr
führen. Arbeitgeber müssen mit verringerter Produktivität, einer Zunahme
von Unfällen, längeren Fehlzeiten und steigenden Gesundheitskosten durch
Drogenabhängige zurechtkommen. Die Gesamtheit der Steuerzahler muß für
den
Kampf gegen Drogen und Drogenkriminalität genauso aufkommen wie
für die Rehabilitation der Abhängigen.
Probleme entstehen auch durch die von Abhängigen gezahlten Geldbeträge
für ihre Suchtstoffe. Die immensen Gewinne im illegalen Drogenhandel
können dazu verwendet werden Regierungen zu destabilisieren und Korruption
und Gewalt entstehen zu lassen. Auf den Transportwegen illegaler Drogen
werden auch illegale Waffentransporte durchgeführt. Einige Terroristengruppen
finanzieren ihre Aktivitäten mit Hilfe des Drogenhandels. Folgen des
Handels bestehen in allen Sorten der Straßenkriminalität, wie z.B. Überfällen,
Morden u.ä.. [34]
Interessant ist, daß die UN nicht nur medizinische Gründe anführt.
Medizinische bzw. gesundheitliche Gründe spielen eher eine untergeordnete
Rolle. Die wichtigsten Gründe für eine Drogenverfolgung sind wirtschaftliche
auf der einen Seite und politische auf der anderen Seite. Wirtschaftlich
soll durch Drogenabstinenz ein möglichst effektives Wirtschaftssystem
etabliert werden.
Nur wer produktiv arbeiten kann, ist ein nützlichlicher Stabilitätsfaktor.
Politisch geht es um die Angst vor Instabilität und Machtverlust. Durch
den Transfer immenser Geldsummen zu kriminellen Drogenhändlern in den
Herstellerstaaten könnten die globalen Machtverhältnisse ins Wanken
geraten. Mit Drogengeldern könnten sich Herkunftsländer wirtschaftlich
dermaßen sanieren, daß eine Aufrüstung der eigenen Armeen bzw. eine
finanzielle Unterstützung von Terrorgruppen im Ausland kein Problem
mehr sein
würde. Dies könnte dazu führen, daß die derzeitigen Einflußspären der
Großmächte verringert würden. Arme, verschuldete Länder sind besser
kontrollier- und beeinflußbar als selbstbewußte, finanziell unabhängige
Staaten. Auch wenn die Drogengelder nicht in die Hände der offiziellen
Regierungen gelangen erschweren sie trotzdem die Einflußnahme auf Länder
in denen bestimmte Nicht-Regierungs-Gruppen durch ihre Finanzkraft zu
bestimmenden Faktoren der Politik werden. In solchen Ländern wird auch
die Umsetzung internationaler Drogenkontrollabkommen erschwert.
3.5. Die Folgen für Cannabis
Cannabis spielt keine besonders herausgehobene Rolle, sondern ist vielmehr
eine mögliche illegale Geldquelle unter vielen. Problematisch ist lediglich
die Kontrolle des Anbaus, der zu industriellen Zwecken im Rahmen der
UN durchaus erlaubt ist. Eine Kontrolle, die zwischen der Verarbeitung
zu Fasern und der Gewinnung von Rauschmitteln unterscheiden kann, ist
in der Realität nur schwer machbar. Deutlich wird durch die Betonung
nicht-medizinischer und nicht-gesundheitlicher Aspekte, daß eine Argumentation
für eine Legalisierung von Cannabis auf dieser Schiene nicht erfolgreich
sein kann. Die UN beharrt zwar auf der gesundheitlichen Gefährlichkeit
von Cannabis, beschränkt sich aber nicht darauf. Somit verringert sich
die Bedeutung der vielfältigen Studien zur relativen gesundheitlichen
Ungefährlichkeit des Cannabiskonsums. 1954 beschloß die WHO auf Initiative
des Vorsitzenden der UN-Drogenkommission Anslinger Cannabis habe keinerlei
therapeutischen Wert.
[35]Mit diesem Beschluß ist die Zweigleisigkeit der UN-Drogenpolitik
(benötigten Bedarf sichern, anderen Konsum und Handel verhindern)
für Cannabis außer Kraft gesetzt worden. Die Gründe für diese rigorose
Politik gegenüber Cannabis waren nicht medizinischer Natur. Es ging
darum, den Weltmachtsanspruch der USA zu verdeutlichen. Die Probleme
bei der Kontrolle von wildwachsenden Pflanzen wie Cocabüschen oder Cannabispflanzen
führten dazu, daß die UN bis 1947 Cocablätter und Cannabis nicht in
dem Maße kontrollierte wie beispielsweise Rohopium. Die USA schafften
es erst nach jahrzehntelangen "unbeugsamen" Bemühungen dies durchzusetzen.
[36]Der Druck
der USA auf Völkerbund und UN hatte letzlich Erfolg. Das Bureau of Narcotics
in den USA versuchte sich mit Hilfe der "Mörderdroge Cannabis" zu profilieren.
In den USA herrschte eine wesentlich härtere Gangart gegenüber Cannabis
als im Rest der Welt. Diese Gangart versuchte Anslinger auch auf UN-Ebene
durchzusetzen. Einer seiner Gutachter gab 1978 zu, es gehe "[...] ja
vor allem darum, der Politik des Bureau weltweite Anerkennung zu verschaffen."
[37] Ein solches Zitat verdeutlicht eine weitere Ebene. Cannabis mußte
eben auch verboten werden, damit bestimmte Personen Erfolge vorweisen
konnten. Die Substanz Cannabis an sich, spielte nur eine sehr untergeordnete
Rolle.
Die UN-Politik ist im Punkt Cannabis unehrlich. Einerseits fordert
sie ein Weiterbestehen des rigorosen Verbotes, andererseits befaßt sie
sich in ihren Reporten eher mit den Auswirkungen ganz anderer Substanzen.
Vorausgesetzt wird ein Konsens über das Cannabisverbot, der so nicht
existiert. Im Report des INCB für 1995 wird u.a. die globale Situation
im Drogenkontrollbereich zusammengefaßt. Cannabis ist weltweit die am
meisten genutzte illegale Droge. Dies gilt sowohl für die Länder die
allen großen UN-Drogenabkommen beigetreten sind, als auch für die anderen.
Trotzdem behandeln lediglich ca. 10 %
der Paragraphen der Analyse der Weltsituation diese Substanz. [38] Auf
die Gefahren anderer, in geringerem Maße genutzter Drogen wird hingegen
überproportional stark eingegangen. Dies könnte darauf hindeuten, daß
selbst die UN Cannabis in Wahrheit nicht als das zentrale Problem im
Bereich Drogen ansieht.
Für die intensive Verfolgung gerade der Cannabissubstanzen kann auch
die Liste der größten
Herkunftsländer sprechen. Diese sind zum größten Teil den Entwicklungsländer
zuzuordnen. Auf diese Druck auszuüben, ist für die Industrieländer wesentlich
leichter als dies bei wirtschaftlich florierenden Ländern möglich wäre.
Cannabis wird u.a. in Marokko, Südafrika, Jamaica, Mexiko, Brasilien,
Kolumbien und Thailand in größeren Mengen angebaut. Bei anderen Drogen
ist die Herstellung auch in anderen Ländern beheimatet. Die größte Menge
des in Europa beschlagnahmten LSDs kommt beispielsweise aus den USA.
[39]
Zwar werden auch diese Drogen verfolgt, aber deutlich werden soll lediglich,
daß viele Staaten sowohl Herkunfts- als auch Konsumländer sind. Im Verbund
mit angebotenen oder verwehrten
finanziellen Unterstützungen ist eine Einflußnahme auf ärmere Länder
jedoch wesentlich leichter als auf reichere. Mit Hilfe von Förderprogrammen
und Krediten wird versucht, sich die Reduzierung der produzierten Mengen
zu erkaufen. [40]
Eine solche Politik ist gegenüber Industrieländern nicht ohne weiteres
möglich. Diese Politik wird zum größeren Teil eben auch durch die Industrieländer
selber finanziert. So entstehen, zumindest in Ansätzen, zwei sich gegenüberstehende
Gruppen innerhalb der globalen UN. Die mächtigere Position hat auch
in diesem Fall die Gruppe der Industrieländer.
In der Zusammensetzung der einzelnen UN-Drogenkontrollorgane ist eine
Dominanz der Industrieländer jedoch nicht ablesbar. Sowohl INCB, als
auch CND und WHO-Expertengremium werden u.a. auch unter dem Aspekt der
geographisch möglichst repräsentativen Verteilung besetzt. Ziel ist
es drogenproduzierende Länder ebenso einzubinden, wie die eher konsumierenden
Staaten. Dies beruht auf
der Erkenntnis, daß eine Umsetzung einmal festgesetzter Ziele nur in
Kooperation mit den betroffenen nationalen Regierungen möglich sein
kann. [41] Inwieweit der Anspruch auf gleiche Rechte für alle in der
Praxis der Gremien verwirklicht wird, ist von außen nicht zu berurteilen.
4. Mögliche Entwicklungen in der Zukunft
Ein Großteil der Probleme (außerhalb der gesundheitlichen Aspekte)
im Zusammenhang mit Cannabis könnte durch eine Legalisierung bzw. Freigabe
gelöst werden. Die verdienten Gelder müßten nicht mehr in illegale Kanäle
fließen, sondern würden auch offiziell zu einem Bestandteil der einzelnen
Volkswirtschaften. Gegen diese Möglichkeit werden sich die UN-Drogenorgane
jedoch sträuben. Da Cannabis die Hauptdroge im illegalen Bereich ist,
würde bei ihrer Legalisierung ein Hauptarbeitsfeld der internationalen
Drogenkontrolleure wegfallen. Cannabis muß also auch verboten bleiben,
damit die einmal geschaffenen Institutionen in ihrer heutigen Form weiterexistieren
können. Ziel dieser Institutionen kann
also nicht die Lösung des (durch sie selber definierten) Drogenproblems
sein, sondern lediglich die Verwaltung desselben.
Bleibt die Frage nach der Möglichkeit von nationalen Initiativen. Durch
den Beitritt zu den wichtigen UN-Drogenabkommen geben die beitretenden
Staaten einen Teil ihrere Souveränität ab. Sie verpflichten sich die
Ziele der unterzeichneten Abkommen möglichst effektiv im eigenen Land
umzusetzen. Trotz dieser gemeinsamen Basis vieler Länder finden sich
in unterschiedlichen Nationalstaaten z.T. sehr unterschiedliche Drogenpolitiken.
Der jährliche INCB-Report untersucht auch die Umsetzung der Abkommen
in allen Staaten (auch den nicht-Unterzeichnerstaaten). Im aktuellen
Bericht werden beispielsweise unzureichende Verfolgungen von Drogenhändlern
in Pakistan kritisiert. [42] Ebenso wird ein Scheitern der Politik der
"Trennung der Märkte" in den Niederlanden festgestellt und die dortige
Coffee-Shop-Politik kritisiert. [43] Diese stehe nicht in Übereinstimmung
mit den ratifizierten Abkommen. Mit Hilfe der Nennung von Verstößen
im jährlichen Report versucht das INCB Druck auf diese Staaten auszuüben.
Einer Totallegalisierung in einzelnen Staaten wird somit vorgebeugt.
Auch die erwähnten
Embargomöglichkeiten schränken die Bewegungsfreiheit der einzelnen Staaten
ein. Interessant ist, dass die Einhaltung der internationalen Abkommen
auch von Nicht-Unterzeichnerländern verlangt wird. Verstöße dieser Länder
können geahndet werden. Eine nationale Politik wäre also auch bei Kündigung
bestehender Verträge nur schwer möglich. Möglich ist lediglich eine
zweigleisige Politik. Diese spricht offiziell Verbote aus und stellt
die von der UN definierten Delikte unter Strafandrohung. Gleichzeitig
jedoch wird in der Praxis von der Vollstreckung in bestimmten Bereichen
abgesehen. Eine solche Politik
bewegt sich in einer Grauzone - praktiziert wird sie z.B. in den Niederlanden
[44]
oder im Bereich Cannabis z.T. auch in der Bundesrepublik. Eine wirklich
fortschrittliche Drogenpolitik wird durch die UN-Organe und
Beschlüsse folgerichtig nicht gefördert, sondern behindert. Dieser Zusammenhang
ist z.B. in der Schweiz von einigen politischen Gruppen durchaus erkannt
worden, die deshalb gegen die schweizerische Unterzeichnung der bekannten
Abkommen opponierten. [45] Größere Neuerungen und Weiterentwicklungen
der weltweiten Cannabis- und Drogenpolitik sind zusammenfassend weder
kurz- noch mittelfristig zu erwarten.
5. Literaturliste
GÜNTHER AMENDT: Der große weiße Bluff, Hamburg 1987.
HANS-GEORG BEHR: Von Hanf ist die Rede, Kultur und Politik einer Droge,
Reinbek 1987.
HANS-GEORG BEHR: Von Hanf ist die Rede, Kultur und Politik einer Droge,
Frankfurt 1993.
WILHELM BURIAN/IRMGARD EISENBACH-STANGL (HG.): Haschisch: Prohibition
oder Legalisierung,
Ursachen und Folgen des Cannabisverbotes, Weinheim 1982.
S.K. CHATTERJEE: Legal Aspects of international drug control, La Hague
1981.
COMMISSION ON NARCOTIC DRUGS (HG.): CND - What it is, what it does.
RALPH COSACK/ROBERTO WENZEL: Das Hanf-Tage-Buch, Hamburg 1995.
MATHEA FALCO: The making of a drug-free America, New York 1995.
JACK HERER: Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf, Frankfurt 1993.
GUSTAV HUG-BEELI: Handbuch der Drogenpolitik, Tatsachen, Meinungen,
Analysen,
Lösungsvorschläge, Bern 1995.
JAMES A. INCIARDI: The war on drugs, Palo Alto 1986.
JAMES A. INCIARDI: Handbook of drug Control in the united states, Westport
1990.
PEGGY MANN: Marihuana alert, Library of congress 1985.
RONALD RIPPCHEN: Recht auf Rausch, Löhrbach 1995.
WOLFGANG SCHNEIDER: Risiko Cannabis?, Berlin 1995.
UNITED NATIONS (HG.): Single Convention on Narcotic Drugs, 1961, as
amended by the 1972 Protocol
Amending the Single Convention on Narcotic Drugs, Dokument V.95-51555,
Wien 1995.
UNITED NATIONS (HG.): Report of the International Narcotics Control
Board for 1995, Dokument
V.95-59753, Wien/New York 1996.
UNITED NATIONS (HG.): The United Nations and Drug abuse control, New
York 1989.
UNITED NATIONS (HG.): Declaration of the international conference on
drug abus and illicit trafficking and comprehensive multidisciplinary
outline of futer activities in drug abuse control, New York 1988. UNITED
NATIONS (HG.): International Narcotics Control Board, V.96-80141, Wien
1996.
1 vgl. Schneider, 1995, 29
2 Inciardi, 1990, 29
3 Herer, 1993, 46
4 Herer, 1993, 58
5 vgl. Herer, 1993, 60
6 Herer, 1993, 59
7 Herer, 1993, 65
8 vgl. Behr, 1993, 163
9 vgl. Herer, 1993, 67
10 vgl. Behr, 1993, 240
11 Herer, 1993, 55
12 Herer, 1993, 70
13 Inciardi, 1990, 38
14 Rippchen, 1995, Seite 77
15 Rippchen, 1995, Seite 78
16 Hier wird die Single Convention von 1961 mit Zusatzprotokoll von
1972 behandelt.
17 Hug-Beeli, 1995, 146
18 Single Convention Artikel 28, 2. Im englischen Original ist von "horticultural
purposes" die Rede.
19 vgl. Chatterjee, 1981, 369-370
20 Single Convention Artikel 49, 1, f
21 UN-Dokument 1989, 48 a
22 Es handelt sich um das Übereinkommen über Psychotrope Stoffe vom
21.2.1971 und das 1972Protocol Amending the Single Convention on Narcotic
Drugs, 1961 vom 25.3.1972
23 Hug-Beeli, 1995, 148.
24 vgl. Chatterjee, 1981, 228-234
25 Zur Zeit sind dies 221 Stoffe sowie 22 chemische Produkte zur Drogenherstellung.
26 Chatterjee, 1981, 235.
27 vgl. Chatterjee, 1981, 234-256
28 vgl. "CND - What it is, what it does."
29 vgl. Chatterjee, 1981, 265
30 Je ein Mitglied kommt zur Zeit aus: Österreich, Chile, Ägypten, Deutschland,
Indonesien, Iran, Mexico, Pakistan, Portugal, GUS, Thailand, USA, Venezuela.
31 vgl. INCB, Document V.96-80141
32 vgl. Chatterjee, 1981, 295
33 vgl. zu den Ausführungen zur WHO: Chatterjee, 1981, 277-298
34 vgl. UN-Dokument, 1989, 48-49
35 Behr, 1987, 253
36 vgl. Chatterjee, 1981, 244
37 zitiert nach Behr, 1987, 253
38 vgl. INCB-Report, 1996, 33-65
39 vgl. INCB-Report, 1996, 62
40 vgl. UN-Document 1989, 95-96. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang
u.a. das UN Development Programme, die UN Industrial Development Organization,
die Food an Agriculture Oragnization of the UN.
41 vgl. Chatterjee, 1981, 273
42 vgl. INCB-Report, 1996, 56
43 vgl. INCB-Report, 1996, 58
44 vgl. Hug-Beeli, 1995, 230
45 vgl. Hug-Beeli, 1995, 160-163
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